Review

Die Welt gehört dir

"Room" ist ein wahnsinniger Film, über den man lange Schwärmen kann, der einen fesselt & der einem tagelang durch den Kopf geht. Er ist voller Gegensätze - schmerzhaft realistisch & herzerwärmend schön. Wenn das Buch, wie manche sagen, wirklich noch ein Stück besser ist, dann muss das ein literarisches Meisterwerk sein. Erzählt wird die Geschichte von Joy, die mit ihrem 5-jährigen Sohn Jack, im "Raum" lebt. Nicht freiwillig, sondern weil sie dort in schrecklichster Josef-Fritzl-Manier festgehalten & nachts als Sexsklavin von ihrem Peiniger ausgenutzt wird. Seit 7 Jahren, auf wenigen Quadratmetern, nur mit dem Nötigsten versorgt, der kleine Sonnenschein immer dabei. Und irgendwie schafft diese so junge & vom "Leben" gezeichnete Mutter es, ihrem Sohn diesen Zustand samt Freude am Leben & positivem Denken zu vermitteln & erklären. So kennt der kleine Mann die riesige Außenwelt nicht, kann sie sich noch nichtmal ansatzweise vorstellen & bekommt einen absoluten Schock, als ihm im zweiten Teil des Films (was auch der Trailer schon verrät & was kein Spoiler ist) die Flucht gelingt. 

Für mich ist "Room" DER Film über gekidnappte & in Gefangenschaft gehaltene Frauen - alle anderen Verfilmungen solcher unvorstellbar grausamen, aber leider wahren Begebenheiten, kann man sich nun eigentlich sparen. Und nicht nur dieses, zum Zeitpunkt der Entführung noch so junge Mädchen, wird detailliert & vielschichtig dargestellt, sowohl ihr Leiden als auch ihre Hoffnung, sondern die Erweiterung um ihren süßen Sohn, mitsamt seiner positiven Denke & naiven Einstellung die (neue) Welt zu begreifen, hebt den Film in Richtung Meisterwerkklasse & 10/10. Einem so düsteren Thema, eine so horizonterweiternde, strahlend offene Grundeinstellung abzugewinnen & diese überzeugend darzustellen, lässt mich vor Freude fast explodieren. Grausam, klaustrophobisch & schmerzhaft, zeitgleich übersonnt von Hoffnung, Neugier, Güte & vor allem der Liebe zwischen Mutter & Sohn. Ein riskanter Tanz zwischen Graus & Schmunzeln, der in die Hose hätte gehen können, insgesamt aber perfekt gelingt. Ähnlich wie bei "Der Marsianer", wird ein etwas abgedroschen klingendes Thema, aufgefrischt & munter gemacht - im Gegensatz zur Sci-Fi-Hoffnung wird hier dadurch aber weder Spannung noch auf dem Spiel stehender Einsatz vermindert.

Der Film ist recht sachlich gefilmt & gerade im letzten Drittel, während der Eingewöhnung an die komplette Welt, hätte ich mir ein paar mehr optische Spielereien & Ideen als nur überstrahlende, helle Flächen gewünscht. Gedankenspiele ala "Was ist in den 7 Jahren zuvor passiert?" oder "Warum konnte nie das Oberlicht eingeschlagen werden?" sind unumgänglich, schaden dem Film oder dessen Logik aber nicht. Vielmehr ist dieses Kopfkino & das weitere Nachdenken, lange nach dem Abspann, eher ein weiteres Indiz dafür, dass jedem mitfühlenden Menschen, der Film nahe geht. Ohne seine zwei Hauptdarsteller samt perfekter Chemie & wahrer Freundschaft, würde das tiefgründige, fast philosophische Werk über den Wert der Freiheit & des Lebens, nur halb so gut funktionieren. Larson hat ihren Oscar verdient & spielt nicht nur ohne Schminke, sondern setzt gleich zum Seelenstriptease an, den man ihr zu jederzeit abkauft. Nur ihr kleiner Co-Star Jakob Tramblay ist noch beeindruckender & liefert wahrscheinlich die beste Kinderperformance, die ich je gesehen habe. Süß, herzensgut, zerbrechlich, wissbegierig, abgeschottet. Auch er hätte einen Oscar verdient gehabt, sogar ebenfalls als Hauptdarsteller. Der positivere zweite Teil des Films, der in Freiheit, ging mir noch wesentlich mehr an's Herz & baute mich wieder nach & nach auf. Die Flucht Jacks, eingerollt auf dem Lieferwagen, war wiederum ein Herzschlagmoment, den ich nie vergessen werde. Nicht nur zwischen Mutter & Sohn entsteht eine unzertrennliche Verbindung, sondern auch wir Zuschauer sehen die Zwei schnell als missbrauchte Opfer, echte Menschen & fast als Freunde, denen man nichts mehr als Freiheit & Glück wünscht.

Fazit: ein realistischer, fast schon aufmunternder & positiver Film über Kidnapping, Sexsklaverei & Freiheitsberaubung - Unmögliches möglich gemacht! Eines der Highlights 2016 & die Kombi Larson/Tremblay ist eine unvergessliche. Mutter & Sohn habe ich in einem Film selten näher gesehen. Berührt die Seele, öffnet Augen!

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