Review
von Pyri
Guter Spannungsfilm, dankenswerter Weise nur mäßig gestelltes Seventies-Flair ****
Michael Nyquist gibt als Paul Schäfer die seltsamste Performance im Mainstream seit Al Pacino als Phil Spector ab: Emma Watson spielt Daniel Brühl ständig an die Wand, obwohl der auch kein schlechter Schauspieler ist, und trotzdem - oder gerade deshalb - funktioniert "Colonia Dignidad" sowohl als Melodram, als auch als topikales Drama. Die Darstellung dieser mehr als sonderbaren, patriarchal-misogynen Sekte von Christfaschisten - wie sie wohl nur die Nachkriegszeit in Südamerika gebären konnte - ist dabei durchaus innovativ zu nennen: die groteske Verwerflichkeit und absurden Grausamkeiten - die teilweise selbst Zurufe aus dem Publikum, wie "Sadismus!", spotten - offenbaren sich erst allmählich. Genießbar bleiben sie doch nicht, wenn Zurückhaltung nicht gewiß ist: der Film verlässt sein melodramatisches Korsett zwar kaum, und bleibt dementsprechend wohldosiert, was darin aber alles noch erwartbar wäre kann zu keinem Zeitpunkt gesichert vermutet werden. Und das ist durchaus spannend.Trotzdem weiß der Film wann genug ist: der Kindesmissbrauch wird lediglich angedeutet und mit Schuldzuschreibungen äußerst sparsam umgegangen - was als politisch korrekte Entrüstungsübung anhebt geht demzufolge alsbald ganz eigene Wege: sogar was der Film über Behinderung sagt (in Form eines glänzenden Brühl-Intermezzos), oder vorgeblich nicht vorhandener Lebenserfahrung (bei anderen Frauenfiguren), stimmt, und somit drückt "Colonia Dignidad" in einer vollständig entwürdigenden Umgebung tatsächlich vor allem eines aus: Würde.
In der Besuchsszene mit den deutschen Flaggen fehlt deshalb eigentlich nur einer: Franz Josef Strauß, dafür ist die Handlung aber wohl ein paar Jahre zu früh angesiedelt...
Rating 8.0