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Der amerikanische Film grast in bequemem Turnus und wechselhafter Qualität die Schauplätze der Kriege mit eigener Beteiligung fürs Kino ab. Da werden Helden geschnitzt und Verlierer ein zweites, drittes, viertes und vierzigstes Mal überwunden. Im Falle Vietnams widerfuhr das nicht nur einmal sogar den eigentlichen Siegern. Selten verirrt sich, etwa unter der Ägide Kathryn Bigelows, auch ein Beitrag unter den Wust an Selbstbeweihräucherung, der eine akzeptabel nüchterne Sicht der Dinge anbietet und zudem nachdrücklich eine hohe Güteklasse anvisiert. Der Film anderer Länder hingegen leidet, mit Ausnahme Russlands, seltener am Gottkomplex oder kämpft, wie im Falle des Deutschen Kinos, mit politisch schmerzhaften Blähungen ganz eigener Natur. Kanada war bisher wenig auffällig, was das Beackern seines Beitrags im Kampf gegen den Terror angeht. Doch nun kommt „Hyena Road".

Trailer bieten Einblicke in das, was einen da erwartet. Doch im Falle von Paul Gross‘ „Hyena Road" ist diese Vorschau trügerisch. Sie suggeriert nämlich besonders für den deutschen Markt einen geradlinigen Kriegs-Actioner, der womöglich gar im Duktus Michael Bays den Gotteskriegern im Nahen Osten gehörig den Prophetenbart frisiert. Doch daraus wird nichts. Zwar sind die Taliban im Film das, was sie in Wirklichkeit auch sind, Hinterwäldler, die Kinder schänden, doch zieht der Film interessanterweise aus einem Feindbild keine Kraft. Stattdessen dient der Aufhänger, der Bau einer Straße durch vom Gegner kontrolliertes Gebiet, als erzählerischer Rahmen für eine Reihe von sorgsam herausgearbeiteten Charakteren, die die Hilf- und Perspektivlosigkeit der Situation insgesamt, sowie die Sorgen, Nöte und persönlichen Gordischen Knoten der einzelnen Individuen vor Ort authentisch vor Augen führen. Man möchte meinen, die für den Film entworfenen Figuren könnten so und ohne Abstriche ins echte Kandahar des Jahres 2005 gesetzt werden. Sie würden tatsächlich kaum auffallen. Das ist für ein Produkt der Unterhaltungsindustrie eine beachtliche Leistung und theoretisch schön. Nur mit der Praxis hapert es.

Leider erweist sich „Hyena Road" entweder als zu unentschlossen, was seine Marschrichtung angeht, oder er trifft nicht ins Ziel. Die der möglichen Wirklichkeit entrissenen Akteure sind im Fokus, was potentiell gehaltvoll ist. Denn es menschelt. Nur unter Umständen schön ist allerdings, wenn sich das umgewälzte Private der in Szene gesetzten Leute als recht uninteressant entpuppt und ihre Beziehungskisten eher langweilen als ansprechen. Da ist der Sergeant (also ein Unteroffiziersdienstgrad), der einen weiblichen Offizier schwängert, was zu einigen Problemen führen könnte. Da ist eine Männerfreundschaft, die ebenfalls unter dem Ranggefälle und noch dazu einigen moralischen Differenzen leidet. Und da sind natürlich Kameraden, die sich gegenseitig nicht im Stich lassen wollen. Man kennt und kann das verstehen. Die Frage ist, ob diese oft schon - und auch schon besser - aufbereitete Chose Legitimation genug ist, den Spannungsaufbau der Story in unschöner Regelmäßigkeit zu unterbrechen.

Die im Film bewegten Gefechtsfahrzeuge, Fluggeräte und bebilderten Artillerieeinsätze ziehen den Zuschauer mitten ins Geschehen. Solche authentischen Bilder sind teuer und sehen auch so aus. Zwischen diesen vermutlich vom kanadischen Militär gestellten Gerätschaften wuseln die Freunde und Kameraden um ihr Leben - für das Ziehen einer Straße, deren Bauschutt mitunter dreckig ist. Denn so mancher ortsansässige Hallodri muss dafür geschmiert werden. Und natürlich geben die Taliban in schlechtester Absicht ihr allerbestes, das Projekt aus dem Hinterhalt in luftige Höhen zu katapultieren. Da fliegen Ortschaften in die Luft und die Arbeit von Wochen krachend auseinander. Doch ehe man sich versieht, erzählt die uniformierte Dame im Feuerleitstand wieder von ihrem Babyproblem, die der damit etwas überforderte männliche Part mit unbeholfenen Gesichtsverrenkungen quittiert. Aus dem Leben gegriffen. Aber die nächsten acht Minuten sind futsch.

Ein besonderes Lob verdient „Hyena Road" für seinen differenzierten Blick auf die Frage der Moral. Wozu ist man als westlicher Soldat überhaupt da unten? Um einen Krieg zu gewinnen? Oder um ein nachahmenswertes Beispiel abzugeben? Der Konflikt aufeinanderprallender Wertvorstellungen im Kontext des politisch und militärisch Machbaren und des ewigen Kampfes von Pragmatismus und Ideal wird angerissen. Doch nicht zufriedenstellend gelöst. Das mag so manchen überanstrengen, verleiht dem Film aber Diskussionspotential, das anderswo zu oft nicht ausgeschöpft wird.

Der Schlussakkord des Films bringt die manische Unentschiedenheit oder den bewussten Nonkonformismus der Geschichte noch einmal kurz auf den Punkt. Da wird nämlich, obwohl die 100 Minuten zuvor recht wenig Blut floss, plötzlich tief ins Gekröse gegriffen. Man reibt sich verwundert fast die Augen. Die Helden erleiden nicht nur erstmalig physische Verletzungen, nachdem sie beinahe zwei Stunden praktisch unversehrt geblieben sind, sondern werden buchstäblich in Fetzen gerissen. Es wird auf überaus unkonventionelle Weise reiner Tisch gemacht und die eigentlich zuvor nicht in Frage gestellte Hoffnung entgegen der Erwartung mit Brisanzmunition in den Boden gestampft. Doch kein Entertainment. Doch kein Theater. Dafür realistisch. Vielleicht zu realistisch.

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