Review

Die Exposition. Zwei alte Freunde treffen sich des Abends an einem Bahnhof. Man hat sich offenbar lange nicht mehr gesehen, doch die Begrüßung fällt zögerlich aus. Höflichkeiten werden ausgetauscht und anstandshalber gegenseitig nach dem Befinden gefragt. Von Beginn an ist klar, dass die Chemie zwischen den beiden einen ziemlich niedrigen PH-Wert hat. Und wie dem im Thriller meist so ist, wenn das so ist, sind da sicher irgendwo Leichen im Keller - die im Laufe der Handlung vermutlich ausgebuddelt werden. Und dann stinkt es zum Himmel.

Jedenfalls steigt man zunächst in ein Taxi und fährt hinein ins Lichtermeer von Paris. Während der Fahrt entpuppt sich einer der beiden als sozialer Chaot und der andere als geläuterter Sympathieträger. Recht unvermittelt macht dann jedoch der Unsympath der zwei den schlimmsten Fehler seines Lebens. Er bezahlt den Fahrer des Taxis nicht, dreht ihm eine lange Nase und verschwindet mit seinem verdutzten Kompagnon in die Nacht. Doch der seiner Zeche geprellte, sinistere Mann am Steuer, dessen Gesicht bisher in der Finsternis der Nacht als Schattenriss verborgen geblieben ist, gibt sich offenbar so leicht nicht geschlagen, denn er folgt den beiden durch Straßen, Gassen und Boulevards. Unbeirrbar und nicht abzuschütteln. Gerade, als sich der Raufbold der zwei dazu entschließt, dem renitenten Taxifahrer doch entgegenzutreten, beginnen die armen Teufel zu verstehen, was es ist, das sie da trotz größter Mühe zu entkommen immer wieder einholt. Und das ist kein Taxi. Es ist die Vergangenheit.

Manchmal jedenfalls ist es nicht frustrierend, wenn sich ein als beinharter Horrorfilm beworbener Genrebeitrag in der Folge als Thriller entschleiert. Natürlich spritzt hier Blut und ganz bestimmt geht es hier mitunter derb zu, denn der Forensiker vom Dienst hat in dieser pechschwarzen Pariser Nacht alle Hände voll zu tun. Doch sind es der fein justierte Spannungsaufbau und die zündenden Ideen des Skripts, die hier den Ausschlag für den Zuschlag geben.

Gewiss, hört man Horror aus Frankreich, sieht man gleich die Glocken läuten. Denn selten wurden wir so grob angepackt, wie vor zehn Jahren mit „Inside" (2007) und „Martyrs" (2008). Doch hat das Stecken neuer Grenzen und das Ausloten von Erträglichem, das unser westlicher Nachbar vor nunmehr einer Dekade so genüsslich filmisch feierte, mit diesem Werk des bei uns völlig unbekannten Regisseurs Julien Seri nicht viel zu tun. Schön, dass es offenbar dennoch sein Publikum findet.

Von Anfang an tritt Seri bei seiner Inszenierung aufs Gaspedal. Und von Beginn an wird klar, dass es keine witz- und ideenlose Aneinanderreihung von Jump-Scare-Momenten wird, der wir hier folgen wollen. In eleganten Bildern entwickelt sich nämlich eine Geschichte, die, ähnlich der Clive Barker Verfilmung „Midnight Meat Train" (2008), mit durchdacht montierten Einfällen und gelungenen Überraschungen unterhält. Wir haben also nicht etwa Freitag, den 13., sondern sehen einmal mehr, dass auch leicht veränderte Rezepturen in den Händen eines angehenden Maître dem verwöhnten Kostgänger Abwechslung bieten können.

Sie sind keine blassen Erinnerungen oder nur mehr Relikte einer vermeintlich besseren Kino-Zeit. Es gibt sie wirklich noch, die filmischen Anliegen der Marke „Night Fare". Denn ursprünglich sollte die Slasher-Line genommen werden, doch besann man sich während der Arbeit eines Besseren, besorgte sich mehr Geld und lieferte der Genre-Gemeinde einen Filmtipp, der es gerade so ins französische Kino schaffte - und nun sehr erfolgreich durch Mundpropaganda verbreitet wird. Gut so, denn Regisseure mit Ideen, Herzblut und Sachverstand verdienen, besonders wenn sie noch jenseits der Pfade des kommerziellen Erfolgs wandern, Unterstützung. Und das nicht aus altruistischen Motiven, sondern vor allem, weil man mehr von diesem leckeren Dinner auf dem Tisch sehen möchte. „Night Fare" ist ein bisschen „Duell" (1971), ein bisschen „Drive" (2011), ein Quäntchen „Joyride" (2001), aufgeschäumt mit ein wenig „Midnight Meat Train" (2008). Und voilà, was exotisch klingt, schmeckt kräftig und aromatisch. Ohne grafisch zu delikat zu sein. Bon appetit!

Details
Ähnliche Filme