Der deutsche Regisseur Josef von Sternberg drehte in der ausgehenden Stummfilmzeit ein Liebes- und Schicksalsdrama über die russische Revolution mit deutschen und amerikanischen Schauspielern - ein wahrlich internationales Projekt also. „Sein letzter Befehl" ist aber nicht nur wegen seiner dramatischen Geschichte, sondern auch durch einige technische und filmhistorische Details durchaus faszinierend.
Die Handlung beginnt im Hollywood des Jahres 1928. Ein aufstrebender russischer Regisseur sucht Komparsen für seinen neuen Film. Er entdeckt einen alternden Schauspieler (mitreißend und intensiv verkörpert von Emil Jannings), der früher russischer General war, und besetzt ihn in ebendieser Rolle. Damit hat es eine besondere Bewandtnis: Die beiden kennen sich aus Zeiten der Russischen Revolution. Eine lange Rückblende ins Russland von 1917 erzählt diese tragische und grausame Geschichte.
Für seine tragende Hauptrolle gewann Emil Jannings 1929 den Oscar als bester Hauptdarsteller bei der allerersten Oscarverleihung. Und wirklich trägt er mit seinem intensiven Spiel beinahe den gesamten Film auf seinen Schultern: Ob als alter, gebrochener Mann, der sich schwerfällig und stumpfsinnig durchs Leben schiebt und unter einem nervösen Tick sowie körperlichen Gebrechen leidet, oder als zehn Jahre jüngerer, eitler und grausamer General, der die zarenfeindlichen Aufständischen mit allen Mitteln bekämpfen will und sich auch auf anderen Gebieten einfach nimmt, was er will - Jannings überträgt die gewaltige physische Intensität seiner Rolle genial auf die Leinwand, strotzt mal vor Energie und Brutalität, wirkt später aber umso schwächer und hilfloser. Ein grandioser Spagat, den er mit starker Mimik und Gestik durchweg meistert.
Neben ihm überzeugen aber nicht nur die anderen Darsteller, die allesamt ihre Sache sehr gut machen (unter anderem der junge William Powell als Regisseur, der sich an ihm rächen will), sondern auch die formale und technische Umsetzung. „Sein letzter Befehl" lässt in vielerlei Hinsicht bereits typische Stummfilmmittel hinter sich: keine Kreisabblenden, kein übertrieben theatralisches Spiel der Darsteller, keine statische Kamera. Ganz im Gegenteil ist diese fast ständig in Bewegung, rollt in erstaunlich langen Einstellungen an Menschenmassen und Kulissen vorbei, hebt sich in die Höhe, schwebt zur Seite. So entsteht rein formal schon viel Tempo und Bewegung, die dem dramatischen Geschehen auf der Leinwand zusätzliche Intensität verleiht.
Auch begeistert der Film mit mehreren aufwendigen Massenszenen. Ob die Menge an Statisten, die sich über das Studiogelände schieben, russische Soldaten, die eine Parade für den Zaren abhalten, oder die Revolutionsmassen, die im dramatischen Höhepunkt des Films zum grausamen Gegenangriff übergehen - immer wieder entstehen regelrechte Wimmelbilder, die das Gedränge beinahe spürbar machen. Durch diesen Aufwand gehört „Sein letzter Befehl" definitiv zu den beeindruckendsten Massenfilmen seiner Entstehungszeit.
Dass er weder in Ausstattung noch Darstellung der sozialen Umstände ein wirklichkeitsgetreues Bild liefert und die Liebesgeschichte zwar mit ihrem tragischen Ausgang, aber weniger mit ihrer vorher klischeehaften und kitschigen Entwicklung gefällt, kann man da getrost übersehen. Auch das Finale fällt bei aller mitreißenden Dramatik etwas zu hollywoodtypisch pathetisch aus. Dennoch ist Josef von Sternberg mit diesem Film ein starkes Stück klassischen Hollywoodkinos gelungen, das fesselt, mitreißt und mit guten Darstellern und spannenden Entwicklungen bestens zu unterhalten weiß.