Mythos Blade Runner...früher oder später muss ich auch zu diesem Werk irgendwas schreiben. Was assoziiert man heutzutage noch mit diesem Film? Die DVD ist nicht mehr im Laden zu bekommen und geht trotz nicht vorhandener Sonderausstattung für rund vierzig oder fünfzig Piepen bei ebay über die Theke. So manch ein ofdb-Reviewautor trägt den Namen des Films als seinen eigenen herum. Eine filmische Legende? Das Non plus Ultra in Sachen Science Fiction? Was für eine Art Beschreibung wird diesem Film gerecht, und welche ist heillos daneben?
Schwierig zu beantworten. Vorweg möchte ich gerade aus gegenwärtiger Sicht einmal feststellen, dass der Blade Runner nicht unbedingt leicht zu gucken ist. Die Spannungskurve ist nicht unbedingt sehr steil, fulminante Actionorgien sucht man vergebens und so manch einer hat sogar schon behauptet, den Film im Spätprogramm nicht ganz durchgehalten zu haben, da vorher die Müdigkeit gewann. Eigentlich schade drum, denn Ridley Scotts Zukunftsvision basierend auf Phillip K. Dicks Buchvorlage ist sicher neben dem stilvollen 1993er Gothik-Hit „The Crow“ durchweg der atmosphärischste Film aller Zeiten, das steht nicht zur Debatte. Das liegt nicht nur an den exzellenten, stimmigen Stadtbildern mit all ihren Lichterfluten, sondern auch an dem superben Soundtrack, der jedes Bild mit seinen Klängen noch einmal um das Doppelte intensiviert. Look und Design erinnern frappierend an die Zeit der Entstehung, was dem utopischen Setting zum Trotz unvermeidbar ist – doch wen stört das schon? Dafür entschädigt das enorme Maß an Phantasie und designerischer Kreativität, was in die Kostüme, die Schauplätze, die Fahrzeuge, ja einfach in alles gelegt wurde. Doch nicht nur das Audiovisuelle überzeugt auf ganzer Linie, auch die Handlung mit all ihrem philosophischen Potential ist überzeugend:
Im Los Angeles des Jahres 2019 ist künstliches Leben und die Bevölkerung anderer Planeten keine Zukunftsmusik mehr. Allerdings ist den so genannten Replikanten, Androiden mit weitaus höheren Kräften als Menschen, jedoch angeblich emotionsunfähig, bei Todesstrafe die Rückkehr auf die Erde verboten. Dennoch büchsen eine Handvoll von ihnen aus und mischen sich unter das Volk. Man versucht zwar, mit gezielten Frage-und-Antwort-Programmen die Replikanten zu entlarven, dennoch schafft es die Gruppe um Batty (mit glänzendem Spiel: Rutger Hauer), unterzutauchen. Um sie aufzuspüren schleust man einen so genannten Blade Runner ein: Rick Dekard (knurrig: Harrison Ford) soll die künstlichen Menschen aufspüren und unschädlich machen. Dabei ahnt er jedoch nicht, dass die Replikanten auch zu Dingen imstande sind, die man ihnen nicht zugesprochen hat: zu fühlen.
Der Hit aus den frühen 80ern klingt für Unwissende mehr wie eine schnelle, kurzweilige Hatz durch erfundene Zukunftswelten, mit viel Cyberwelt und hochmoderner Technik. Doch der wirkliche Film fährt auf einem vollkommen anderen Gleis – man könnte meinen, Scott kam es lediglich darauf an, möglichst stimmige, ruhige Bilder zu zeigen, surreale Welten, die aus den Augen verschiedener Individuen betrachtet werden. Dass er dabei auch auf künstliche Intelligenz zurückgreift macht das Endprodukt umso differenzierter und moralisch anspruchsvoller. Das Drehbuch bewegt sich dementsprechend auf hohem Niveau, auch wenn die philosophischen Auswüchse an so mancher Stelle etwas zu verschnörkelt wirken. Macht aber nichts, denn die Darsteller überzeugen allesamt auf klarer Linie und schlüpfen gekonnt in ihre schwierigen Rollen. Man könnte dabei fast meinen, Harrison Ford hätte es als knurriger Undercover-Ermittler noch am leichtesten von allen, obwohl er derjenige ist, der am meisten verstehen muss, mehr noch als der Zuschauer selbst...
Klar muss hier unbedingt die Höchstnote vergeben werden. Heutzutage gibt es durchaus bessere Effekte, teurere Filme, was auch immer – Tatsache ist aber, dass die Zeiten von exzellenter Atmosphärenmalerei und des Schaffens solch eleganter und stilvoller Bilderbögen definitiv vorbei ist, da bin ich mir sicher. So bleibt Blade Runner ein weiteres Andenken an das beste Filmjahrzehnt überhaupt und ganz nebenbei ein Dauergast in meiner persönlichen Top 5. Ganz egal, wie viel man für die DVD hinlegen muss, die muss sein.