Review

BLOW JOB ist der erste Film, den Alberto Cavallone nach seinem Meisterwerk BLUE MOVIE drehte.
Der Film beginnt mit Ansichten des verlassenen Parks einer Villa und rückt hierbei vor allem die unheimlichen, hochgewachsenen Bäume, auf die Regen fällt, in den Fokus. Nach einem Schnitt huscht eine subjektive Kamera in ein Hotel, nähert sich der Rezeption, wo ein Angestellter den Telefonhörer ergreift und eine Nummer wählt. Es ist die des Zimmers, das die beiden Hauptdarsteller des Films, Stefano und Diana, bezogen haben. Der Mann von der Rezeption weist Stefano, der den Anruf entgegennimmt, darauf hin, dass die Zahlung der Zimmermiete schon längere Zeit aussteht. Wir erfahren, dass Stefano und Diana ziemlich mittellos sind und die bereits erfolgten Übernachtungen im Hotel nicht bezahlen können. Zu Hilfe kommt ihnen ein rätselhaftes Drama, das sich in einem Raum über dem ihrem abspielt. Ein junges Mädchen wird von etwas bedroht, das der Film uns verschweigt. Die subjektive Kamera scheint sie zu attackieren, während sie in einen Schreikrampf verfällt und sich schließlich wie von Sinnen aus dem Fenster stürzt, wobei sie auch die Scheibe von Stefanos und Dianas Zimmer streift, wo ein hässlicher Blutfleck zurückbleibt, bevor sie auf dem Pflaster vor dem Hotel aufschlägt. Diana übergibt sich bei dem Anblick ins Waschbecken, Stefano betrachtet fasziniert die zerschmetterte Leiche. Schließlich nutzen die beiden den aufgrund des Selbstmords des Mädchens entstehenden Tumult und flüchten aus dem Hotel ohne ihre Rechnung beglichen zu haben. In einer witzigen Szene fährt Stefano ihren Wagen zu einem Hintereingang des Hotels, während Diana ihr Gepäck an einem in ein Seil verwandeltem Bettlaken an der Fassade herunterlässt.
Auf einer Pferderennbahn, wo sie endlich zu Geld kommen wollen, treffen Stefano und Diana eine etwa vierzigjährige Frau namens Angela. Angela hilft Stefano dabei, ein siegreiches Pferd auszuwählen, im Gegenzug bietet er ihr an, sie zu der abgelegenen Villa zu fahren, in der sie lebt. Auf der nächtlichen Fahrt bemerkt Stefano einen unheimlichen Motorradfahrer, der einen Totenkopf auf den Schultern sitzen zu haben scheint. Kurz darauf versagt der Motor des Autos. Während Stefano sich aufmacht, um Hilfe zu holen, nutzt Angela die Gelegenheit, Diana zu verführen. Drei seltsame Männer umringen das Auto und beobachten sie bei ihrer erfolgreichen Verführung. Problemlos kann Angela den Wagen starten, nachdem sie mit Diana intim wurde, unterwegs sammelt man Stefano auf und gelangt endlich zur Villa, die sich wenig überraschend als die der Eröffnungsszene entpuppt. Außer Angela scheint hier nur der Butler Alphonse zu leben, jedoch bemerkt Stefano bei einem ersten Rundgang am nächsten Morgen in einer Garage ein Motorrad, das dem ähnelt, das er in der Nacht zuvor gesehen hat. Immer dichter und rätselhafter werden die Ereignisse, die sich in der Villa zutragen. Angela scheint Diana zu verhexen, indem sie eine Schere in eins ihrer Kleidungsstücke rammt, worauf Diana sofort von Krämpfen und einem Schwächeanfall heimgesucht wird. Stefano macht sich in die nächste Stadt auf, wo er eine Frau namens Sibilla trifft, die ihm ein Säckchen voller Pulver aushändigt, das Diana angeblich heilen soll. In seiner Abwesenheit erneuert Angela ihre sexuellen Übergriffe auf Diana, die diese gerne über sich ergehen lässt. Stefano ruft von einer Telefonzelle aus in der Villa an, spricht mit Alphonse, und inzwischen erscheint ein Motorradfahrer, dessen Gesicht uns verborgen bleibt. Die vor der Telefonzelle wartende Sibilla besteigt das Fahrzeug und zusammen brausen sie davon. Aber Sibilla und Stefano begegnen sich ein zweites Mal. In einer der folgenden Nächte weckt Angela die schlafende Diana, um sie zu einem Ball mitzunehmen. Stefano, der schlafend in seinem Bett zurückbleibt, wird daraufhin von Sibilla besucht, die aus dem Spiegel in seinem Zimmer steigt, ihn zu einer Höhle bringt, wo es zu Sex zwischen beiden kommt.
Zwischenschnitte, die Stefano inmitten des Balls zeigen, von dem Angela vorher sprach, machen deutlich, dass er sich scheinbar an zwei Plätzen gleichzeitig befindet. Der Ball an sich findet in einem Salon der Villa statt. Meist herrscht vollkommene Dunkelheit, abgesehen von den Fackeln, die eine Gruppe älterer Herren mit sich herumtragen. Sie umringen den irritierten Stefano, führen zu schönen Walzerklängen ein schauriges Ballett auf, während Alphonse einen Scheinwerfer führt, mit dem er ab und zu die Finsternis durchbricht oder den gesamten Salon für kurze Momente in helles Licht taucht. In der Höhle erklingen indes dumpfe, brummende Geräusche, zu denen eine ferne Stimme archaische Verse zu intonieren scheint. Es folgen Szenen des Wahnsinns und des Chaos. Der rätselhafte Motorradfahrer rast in die Villa und enttarnt sich als in Leder gekleidete Frau, die eine Totenmaske trägt. Stefano eilt wie im Fieberwahn durch die Villa, um Diana zu finden. Das Haus ist inzwischen bevölkert von kopulierenden Paaren, darunter auch das Mädchen, das sich zu Beginn des Films aus dem Fenster stürzte, und eine mit bunten Federn bekleidete Frau, die schrille Vogelschreie ausstößt, während ein Mann sie anal penetriert. Wie bei BLUE MOVIE und dessen Vorgänger SPELL folgt schließlich eine Auflösung der Geschichte, die ein neues Licht auf alles zuvor Gesehene wirft und dem Film eine kreisförmige Struktur verleiht, die mehr Fragen stellt als Antworten gibt. 

Sowohl BLUE MOVIE als auch SPELL waren zwei Filme, die sich in grimmiger, bitterer, anklagenden Weise mit Themen wie Politik, Gesellschaft und Religion befassten, sozusagen Cavallones symbolisch verschlüsselte Anklageschriften an die Verhältnisse der späten 70er. Von alldem ist in BLOW JOB nichts mehr zu spüren. Cavallone scheint sich nach dem Paukenschlag von BLUE MOVIE in mehrerer Hinsicht von seiner vorheriger Verzweiflung und Wut, die man vor allem bei BLUE MOVIE deutlich spürte, abgewendet zu haben, und vergräbt sich in Mythen und Phantasien, die keinerlei reellen Bezug zu haben scheinen. BLOW JOB haftet tatsächlich etwas Märchenhaftes an. Viele Szenen wirken, als entstammten sie direkt einer gothic novel. Magie und Hexerei stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Insgesamt hat er mehr von einer schaurigen Legende als von den teilweise schmerzhaften Protesten seiner vorherigen Filme. Andererseits bewegte sich Cavallone mit BLOW JOB erstmals in den Hardcore-Porno-Bereich. Zwar boten auch SPELL und BLUE MOVIE recht explizite Sexszene, allerdings waren sie, wenn auch teilweise äußerst in die Länge gezogen, integrale Bestandteile der erzählten Geschichte. Für BLOW JOB kann das nicht mehr gelten. Natürlich ist der Film kein reiner Porno, in dem die Handlung bloß eine Alibifunktion hat, um die einzelnen Sexszenen zu verbinden. Wie man an der Inhaltsangabe sieht, liegt der Fokus eindeutig auf der komplexen Geschichte und nicht auf den eingestreuten Hardcore-Ausflügen. Im Grunde ist BLOW JOB demnach eindeutig ein Spielfilm mit einzelnen expliziten Sexszenen und kein Sexfilm mit vereinzelten Handlungsfragmenten. Dennoch gehen die Hardcore-Sequenzen nicht wirklich eine sinnvolle Verbindung mit der Handlung ein, wirken etwas deplaziert, jedoch glücklicherweise niemals schmuddelig oder besonders störend. Störender empfand ich die Tatsache, dass für BLOW JOB so gut wie kein Budget vorlag. Cavallone war nie ein Regisseur, dem besonders viel Geld zur Realisierung seiner Visionen zur Verfügung stand, bei BLOW JOB muss es jedoch gegen Null tendiert haben. Man merkt dem Film an, dass er es mit etwas mehr finanzieller Unterstützung hätte schaffen können, optisch so brillant wie seine Vorgänger zu werden. In der vorliegenden Version schauen einige Sets leider ziemlich billig aus und es gelingt Cavallone nur bei wenigen Szenen das geringe Budget zu vertuschen. Am besten schafft er es wohl beim Walzertanz der Fackelträger, der Szene in der Höhle und dem gesamte Anfang im Hotel, die mich alle ziemlich begeisterten. Dafür fand ich die Sexszenen und einige Dialogpassagen eher langweilig.
An Einflüssen, die in BLOW JOB verarbeitet werden, lassen sich, im Gegensatz zu SPELL und BLUE MOVIE, nicht allzu viele aufzählen. Am offensichtlichsten sind wohl die Referenzen bezüglich Cocteaus ORPHEUS in Form der Motorradfahrerin und der Verwendung von Spiegeln als Tore zu einer anderen Welt.
Dass ich BLOW JOB im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern relativ schlecht bewertet habe, liegt nicht unbedingt an den Hardcore-Szenen, die zwar unnötig sind, jedoch eigentlich nicht weiter ins Gewicht fallen, sondern schlicht daran, dass der Film mich nicht ansatzweise so sehr berührte und verstörte wie beispielsweise BLUE MOVIE. BLOW JOB ist zweifellos ein interessanter Film mit einigen Überraschungen und einem Finale, das David Lynch alle Ehre gemacht hätte, jedoch nimmt man, meiner Meinung nach, nicht mehr aus dem Film mit als einen hypnotischen Bilderrausch. Der kann zwar begeistern, und wahrscheinlich hätte er noch mehr begeistert, wenn mehr finanzielle Mittel in ihn investiert worden wären, ist aber im Grunde inhaltlich leerer als die Bilderräusche, die Cavallone zuvor erschuf.

Nach dem tödlichen Schuss in die Schläfe, der BLUE MOVIE beendete, scheint Cavallone seine eigene Vorstellung einer Gegenrealität geschaffen zu haben. Dass die nicht besonders angenehm ausfällt, sondern mehr an ein Horrorszenario erinnert, liegt wohl an der Person des Regisseurs. Leuten, denen Cavallones berühmtere Werke gefallen haben, können einen Blick riskieren, allerdings ist BLOW JOB kein verschollenes Meisterwerk, eher eine interessante Ergänzung, und glücklicherweise weit entfernt von späteren seiner Werke wie zum Beispiel dem schlichtweg lächerlichen letzten Eintrag in sein Oeuvre I PADRONI DEL MONDO.

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