Gesamtbesprechung
Jährlich überschwemmen immer neue und spektakuläre Ärzteserien den Markt, mal sind sie weniger gut, mal sind erstaunlich gut gelungen, mal sind sie richtig schlecht - es eint aber alle Serien, dass sie häufig nur wenig mit dem Alltag in einem Krankenhaus zu tun haben.
Auch bei "Code Black" gibt es viele Stellen, bei denen man sich fragt, ob die Serienschreiber keinen ärztlichen Berater an der Seite gehabt haben (zum Beispiel dass die Ärzte offene Verletzungen in der Notaufnahme grundsätzlich ohne Mundschutz behandeln, diesen aber später im OP tragen). Trotzdem sind diese Schwächen bei dieser Serie auffallend gering. Im Gegenteil - selten hat eine US-Serie den realen Krankenhausalltag so dicht wiedergegeben. Da gibt es fast tagtäglich einen Massenanfall von Patienten (davon leitet sich der Name der Serie "Code Black" ab), da gibt es eine permanente Überforderung sowohl des Ärzte- als auch des Pflegepersonals, da gibt es Stress zum Anfassen, da gibt unschöne (weil blutige) Bilder, da gibt es nicht für jeden Fall ein Happy End, da begleitet man die Ärzte, wenn sie den Kampf um die Gesundheit ihrer Patienten auch einmal verlieren.
Die Ärzte stehen dabei meist im Mittelpunkt, genauer eine Gruppe von Ärzten in der Ausbildung. In der ersten Staffel sind sie frisch von der Universität gekommen und werden von "Mama", dem Chefpfleger Jesse Salander, empfangen, der sie in ihre Aufgaben einweist. Hauptausbilderin ist aber Dr. Leanne Rorish ("Daddy"), die ihren Schützlingen zur Seite steht, aber auch klare Anweisungen gibt. Stehen in der ersten Staffel meist noch die Fälle im Mittelpunkt, entwickeln sich die Charaktere im Laufe der Zeit, bekommen die Figuren auch eine private Seite und damit einen Unterboden. Familiäre Konflikte setzen die Figuren zwar zusätzlich unter Stress, die Ärzte erkennen aber in ihrer kollegialen Gemeinschaft und Freundschaft schließlich die Kraft, die ihnen hilft, diese Unwegbarkeiten des Lebens zu meistern. In der zweiten Staffel sind einige lieb gewordene Figuren nicht mehr dabei, dafür tritt eine neue Gruppe von Jungärzten in die Ausbildung ein, während die verbliebenden "Altassistenten" ihr zweites und in der dritten Staffel ihr drittes Lehrjahr erleben.
Die Ereignisse im fiktiven "Anbgels Memorial" spielen in der ersten Staffel zumeist im Krankenhaus. Danach dürfen die Figuren (vor allem der Militärarzt Ethan Willis) Außeneinsätze fahren - ein für die USA eher ungewöhnliches Verfahren, aber für den Zuschauer ein Türöffner, kommt man doch auf diese Weise auch einmal zu den Unfallorten.
Die Schauspieler verstehen es in Regel zu überzeugen und ihren Charaktere jeweils eine über das Drehbuch hinaus gehende Note zu verleihen. Hervorzuheben seien hier vor allem Marcia Gay Harden als Dr. Leanne Rorish, die deren Schmerz über den Verlust ihrer Famile bei einem Unfall, aber auch die Sorge um ihre spätere Pflegetochtrer überzeugend darstellen kann. Luis Guzmán als Jesse Salander ("Mama") verkörpert die Seele des Krankenhauses und somit der Serie - es macht immer wieder Spaß ihn hier - wenn auch stellenweise etwas übertrieben - agieren zu sehen. Rob Lowe (!) schlüpft ab der zweiten Staffel in die Rolle des Militärarztes Ethan Willis und stellt zusammen mit Boris Kodjoe als anfänglich unsympathischen Chefarzt der Chirugie ein weiteres Ausrufezeichen im Figurentableau dar. Mir ans Herz gewachsen (vor allem auch durch ihr Spiel) sind zudem Harry Ford als Jungmediziner Dr. Angus Leighton und Benjamin Hollingsworth als sein Kollege Dr. Mario Savetti.
Leider wurde die Serie nach der dritten Staffel eingestellt - aber vielleicht sollte man nicht "leider" sagen, den oft verlieren Serien ab der dritten Staffel ihre Bodenhaftung und versuchen durch immer skurilere Fälle und persönliche Schicksalschläge den Zuschauer bei Laune zu halten - oft zu Kosten der Glaubwürdigkeit. Diesem Schicksal ist "Code Black" also alles in allem entgangen, wenngleich es zumindest auch hier in der dritten Staffel Ansätze dafür gegeben hat.
So bleibt "Code Black" mir als eine Arztserie im Gedächtnis, die sich wohltuend vom Einheitsbrei abhebt und zumindest drei Staffeln lang neue Maßstäbe gesetzt hat.