Christian Bale spielt den eher unorthodoxen Hedgefonds-Manager Michael Burry, der das Unheil als erster kommen sieht. Er stellt fest, dass der US-Immobilienmarkt nicht so grundsolide ist, wie es die Finanzjongleure aller Welt glauben machen wollen. Daher ist es den Mitarbeitern bei Goldman Sachs und anderen Banken ebenso unbegreiflich wie den eigenen Investoren, dass er über eine Milliarde Dollar auf den Zusammenbruch des Immobiliensektors setzt. Während die Banken im Glauben an ewig niedrige Zinsen und steigende Immobilienwerte die Blase weiter befeuern, sehen auch andere, was kommen wird, darunter ein Mitarbeiter der Deutschen Bank, gespielt von Ryan Gosling, der dem streitbaren Trader Mark Baum, gespielt von Steve Carell, Papiere anbietet, mit denen auch dieser vom großen Knall 2008 profitieren sollte.
An der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 hat sich 2011 bereits J.C. Chandor mit seinem stark auf die handelnden Investmentbanker fokussierten Drama „Der große Crash - Margin Call“ abgearbeitet. Die Beteiligten stellten im Film fest, dass sie auf einer Menge toxischer Papiere saßen und hatten nicht viel Zeit zum Handeln, sodass es in einer panischen Nacht- und Nebelaktion zur Abstoßung der Wertpapiere kam. „The Big Short“, der auf einer gleichnamigen Buchvorlage von Michael Lewis basiert, die wiederum von Adam McKay adaptiert und verfilmt wurde, spannt dagegen den größeren Bogen, widmet sich den tieferen Ursachen der Krise, dem überhitzten US-Immobilienmarkt, der laxen Kreditvergabe, dem naiven Glauben an das Funktionieren eines brüchigen Systems, dem irren Handel mit hochkomplexen Finanzprodukten, der mangelnden Aufsicht und den Rating-Agenturen, die auch den wertlosesten Papieren mit einer AAA-Bewertung ihren Segen gaben. Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive der wenigen Zweifler, die den Crash früh kommen sahen und letztendlich von diesem profitierten.
Dieser im Vergleich zu „Der große Crash“ vorgenommene Perspektivwechsel von den Verantwortlichen des Börsensturzes hin zu denen, die diesen als einzige kommen sahen, macht „The Big Short“ zu einer überzeugenden Satire. Gier, Wahnsinn und Verantwortungslosigkeit werden durch diesen Blickwinkel sehr deutlich, vor allem aber wird der naive Glaube an den stabilen Immobilienmarkt von Anfang an messerscharf seziert. Zu den besten Szenen des Films gehören die, in denen die Investmentbanker, die Mitarbeiter von Rating-Agenturen und Kontrollorganen sowie auch zwei Hypothekenvermittler zu Wort kommen und gegenüber den nachforschenden Protagonisten des Films ihr zweifelhaftes Geschäftsgebaren oft mit einer Mischung aus Freimütigkeit und Arroganz darlegen. Wenn Baums Mitarbeiter aufs Land fahren und sich ein paar hoch bewertete Immobilien ansehen, deren Hypotheken seit geraumer Zeit nicht mehr bedient werden und auf leer stehende Häuser, arbeitslose Hausbesitzer oder frustrierte Immobilienmakler treffen, wird überdeutlich, woran das System krankte.
Dazu müssen variable Hypothekenzinsen, CDOs oder Swaps, mit denen die Beteiligten im Film munter um sich werfen, nicht einmal im Detail verstanden werden, wenngleich McKay sich mit kurzen Erklärungen, eingeblendeten Begriffsdefinitionen und netten Vergleichen durchaus müht, das Wichtigste verständlich zu transportieren. Problematisch ist eher, dass der bisher durch Will-Ferrell-Komödien wie „Anchorman“, „Stiefbrüder“ oder „Die etwas anderen Cops“ aufgefallene Filmemacher vermutlich davon ausgegangen ist, dass ein Großteil des Publikums das Gezeigte entweder nicht versteht oder dass es die Menschen schlicht und einfach nicht interessiert.
McKay zieht daher alle Register, um den Unterhaltungswert hoch zu halten. Er zündet pointierte, witzige Wortgefechte, die ihre Wirkung meist nicht verfehlen, er setzt auf Wackelkamera und schnellen Schnitt, um auch den Dialogen über komplizierte Finanzinstrumente eine stärkere Dynamik zu verleihen und den Zuschauer direkter am Geschehen teilhaben zu lassen. Es kommt zu absurd komischen Stellen, in denen etwa Mark Baum in einem Strip-Klub mit einer Tänzerin, die mehrfache Hausbesitzerin ist, deren Hypothekenraten diskutiert. Überhaupt gehen viele Lacher auf das Konto des unflätigen, streitbaren Traders. So ist der Unterhaltungswert durchweg hoch, mitunter wirkt „The Big Short“ so aber auch etwas hektisch und überdreht. Auch die teilweise nichtssagenden Einblendungen aus Popkultur, Politik und Sport sowie der nicht immer stilsichere Einsatz flotter Popmusik im Film, verstärken nur den Eindruck, dass der Regisseur allzu krampfhaft auch denjenigen etwas zu bieten versucht, die mit dem Inhalt wenig anfangen können. Fehlte eigentlich nur noch eine Szene, in der Sylvester Stallone die griechische Schuldenkriese erklärt, während er gegen Mike Tyson boxt. Dabei hätte McKay seine Zuschauer viel leichter bei der Stange halten können, hätte er den Film nur flüssiger erzählt, die Episodenhaftigkeit ein wenig reduziert und auf sich wiederholende Elemente verzichtet.
Helden sucht man dabei vergeblich. Auch die Protagonisten des Films sind, obwohl sie die Fehler des Systems frühzeitig erkennen, doch Teil von diesem und nutzen ihr Wissen primär dazu, sich selbst zu bereichern. Da wäre also der von einem gewohnt überzeugenden und mal wieder ungeheuer wandlungsfähigen Christian Bale verkörperte Ben Rickert, für den die großen Banken eigens Finanzinstrumente entwickeln, damit er auf den Zusammenbruch des Systems setzen kann, zum anderen der von einem nach „Foxcatcher“ erneut in einer Charakterrolle brillierenden Steve Carrell gespielte Mark Baum, der nach dem Selbstmord seines Bruders mit dem System hadert, den Finanzinstituten am liebsten eins auswischen würde, aber genau für ein solches arbeitet und letztendlich - wenn auch wiederwillig - selbst den Gewinn einfährt. Der von Ryan Gosling verkörperte Mitarbeiter der Deutschen Bank, der zugleich Erzähler des Films ist, macht ohnehin keinen Hehl daraus, dass auch er es nur auf das große Geld abgesehen hat. Bleiben noch zwei jüngere Finanzjongleure, die einen kleinen „Garagen-Hedgefonds“ führen und dank eines ausgestiegenen, von einem sehr charismatischen Brad Pitt verkörperten Ex-Managers ebenfalls auf den Untergang des Kapitalismus setzen dürfen.
Die Figurenkonstellation ist damit sehr vielseitig und interessant, wenngleich McKay seinen Charakteren vielleicht die eine oder andere Eigenheit zu viel andichtet, um sie noch außergewöhnlicher, eben als die großen Außenseiter darzustellen. Dass sie zur Karikatur verkommen, verhindern aber die brillanten Schauspieler. Ärgerlich ist allenfalls, dass McKay einzelne Figuren im Verlauf des Films etwas aus den Augen verliert, so etwa Michael Burry, von dem man in der zweiten Filmhälfte fast gar nichts mehr sieht. Gelungen ist jedenfalls, dass vor allem der von Pitt verkörperte, geläuterte Ex-Banker, aber auch andere Protagonisten, als moralisches Gewissen des Films fungieren und immer wieder an die realen Auswirkungen des Zusammenbruchs erinnern, an Massenarbeitslosigkeit oder Obdachlosigkeit. Das verlieren auch diejenigen, die den Zusammenbruch vorhersehen, nämlich allzu schnell aus den Augen und das könnte angesichts der vollkommen entkoppelten Milliardendeals auch dem Zuschauer so ergehen, wenn McKay diesen nicht immer wieder mit den unmittelbaren Auswirkungen des Kollapses konfrontieren würde.
Fazit:
Aus der Perspektive einiger weniger Außenseiter, die den großen Crash schon kommen sahen, als alle anderen noch glaubten, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, zeigt Adam McKay in interessanter und unterhaltsamer Weise die Ursachen des Börsencrashs auf. Dank der pointierten Dialoge, der flotten Inszenierung und der brillanten Darsteller ist „The Big Short“ eine sehr kurzweilige Mischung aus Drama und Satire, obwohl McKay gleichzeitig vorzuwerfen ist, dass er zu viele Register zieht, um das trockene Thema aufzumotzen. Trotz einiger inszenatorischer und narrativer Schnitzer ist der Film zur Finanzkrise 2008, der nicht ganz an „Der große Crash - Margin Call“ heranreicht, dennoch auch denen zu empfehlen, denen Finanzderivate das sprichwörtliche Buch mit sieben Siegeln sind.
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