Puh, eine recht ungewöhnliche und relativ schwere Filmerfahrung…
Lees großer Bruder stirbt an einer Herzkrankheit und er muss sich um seinen Neffen kümmern. Dafür kehrt er in seinen Heimatort zurück, in dem er ein tragisches Erlebnis hatte, das ihn für immer verändert hat.
Das klingt nach einer typischen Ard-ZDF-Schmonzette. Sonntag Abend um 20:15. Und könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Lee bekommt keine Liebesgeschichte und wird am Ende nicht erlöst, sondern bleibt in seiner Vergangenheit gefangen. Er hat auch wirklich Schuld auf sich geladen, mit der er nicht klarkommt und für die er bestraft werden will. Er ist unfähig geworden, Beziehungen aufzubauen und seine Gefühle auszudrücken. Sein Neffe als sein Widerpart scheint ebenfalls völlig unfähig, sich seinem Verlust zu stellen und damit, Empathie für andere, wie seinen Onkel oder seine beiden Freundinnen, zu empfinden. Der einzige Lichtblick ist, dass die beiden tatsächlich einen brüchigen Weg zueinander finden, aber eben nicht in Form einer Aussöhnung. Das Ende macht Hoffnung, dass zumindest Patrick, der Neffe, eine emotionale Entwicklung durchmacht.
Der Film steht mit Casey Afflecks zentraler Darstellung als Lee. Zuerst als kleiner Bruder Ben Afflecks bekannt, zeigt er hier, was in ihm steckt – und seiner Umgebung ist zu hoffen, dass er schauspielert, Lee ist gebrochen (verständlich, wenn man den Grund erfährt), hoffnungslos und in sich gefangen, Das macht er in fast jeder Szene deutlich. Teilnahmslosigkeit wechselt sich mit kurzen, popintierten Ausbrüchen von Aggression hab (er schlägt einem Wildfremden ins Gesicht, damit er Prügel bezieht oder schlägt ein Fenster ein). Die Hilflosigkeit macht betroffen, schreckt aber auch ab. Bis zum Ende schafft er es nicht, seine Gefühle zu verbalisieren, den Schatten, der ihn die ganze bedeckt wenigstens sprachlich anzugehen – Affleck macht diese Gefühlslage aber durchgängig deutlich. Eine zurecht prämierte Darstellung.
Alle anderen Darsteller bleiben dementsprechend blass, auch Michelle Williams als Ex-Frau, die Versöhnung sucht, aber nicht zu ihm durchdringt.
Patrick, als zweite Hauptfigur, scheint eigentlich relativ glücklich, aber im Film zeigt sich, wie gebrochen er selbst ist und wie sehr er die Sicherheit seines Zuhauses braucht. Seine Mutter hat ihn verlassen und taucht gerade als überreligiöses Monster wieder auf, sein Großvater und Vater sind innerhalb von ein paar Jahren gestorben, sein Onkel ist weggezogen. Er klammert sich an seine gewohnte Umgebung und kann diese nicht aufgeben.
Ein recht düsterer Film mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen und einer grandiosen zentralen Darstellung.
Sechs von zehn.