Tschill mal richtig!
Der "Tatort". Das ist das verstaubte deutsche Fernseh-Krimi-Konstrukt, welches sich stets mit gesellschaftlichen Problemen herumquält und als i-Tüpfelchen eine (!!!) Leiche aus dem Hut zaubert. Der "Tatort". Er steht für Langsamkeit, ist dialoglastig, konservativ, sozialkritisch, gespickt mit inszenatorischen Unzulänglichkeiten, blassen Darstellern und verheerender FSK-12 Problematik. Ich gebe zu: Ich bin kein "Tatort"-Fan. Selbst der Möchtegern-Tarantino-Ausflug „Im Schmerz geboren" (Die Welt „Dieser Tatort war Shakespeare, Tarantino, van Gogh") ließ mich als Zuschauer über das deutsche Unvermögen einer Krimi-Inszenierung - und dessen Sinn - frösteln.
Und dann kam er: Til Schweiger. Er wollte in Hollywood als Actionheld durchstarten - und stürzte ab. Fabrizierte danach seichte RomCom-Schmonzetten für spätpubertierende Weibchen - und hatte überraschend Erfolg. Ja, die Deutschen sind eben ein spaßiges Volk.
Im "Tatort" erhielt er die Chance einer neuen Kunstfigur Leben einzuhauchen. Eine Art Schimanski für die 2010er. Härter als Eisen, muskulöser als Dietmar Bär und nuschelnder als Kenny McCormick. Ein Name, der im Suff aus Wortsilben zusammengeklaubt wurde. Ein "Tatort"-Kommissar dem Gesetze am A@!?$ vorbeigehen: Nick Tschiller. Und verdammt YEAH! Er fegt den alten Mief der Marke "Tatort" aus den ARD-Sendeanstalten, verblüfft durch unorthodoxe Gewaltausbrüche, schockt die Generation Ü-60 mit Kraftausdrücken und explosiven Überspitzungen. Sinn: Egal! Spaß: Ja!
Nach vier TV-Abenteuern mit sinkender Zuschauerakzeptanz jetzt der von Kritikern herbeigesehnte „Absturz" ins Kino. Wirklich ein Absturz: Definitiv Nein! Regisseur Alvart und Drehbuchschreiber Darnstädt erschufen jetzt mit „Tschiller: Off Duty" einen amüsanten europäischen Genrehybriden der mächtig übertreibt. Hier wird gekämpft, geschwitzt, geschossen, geblutet, gesprengt, gedramert und gekalauert was die Überlänge hergibt. Schöne Locations, ausgezeichnete Kamera- und Schnittarbeit und spielfreudige Darsteller (Schweiger, Yardim, Emre Yildirim) ergeben, losgelöst vom Opa-Schnarchsiegel „Tatort", einen, mit schmalem Budget abgedrehten, lässigen deutschen Beitrag zum europäischen Actionkino weit über Cobra 11-Niveau.
Jetzt aber doch noch einen Kritikpunkt: 140 Minuten - seid ihr Des Wahnsinns Fette Beute. Ach so. Kapiert. Wird ja später bei der ARD als Event-Zweiteiler a 90 Minuten versendet - mit Zusatzetikett „Langfassung - 30 Minuten mehr Emotionen und garantiert weniger Action".
Nach einem Dürüm-Döner und sechs Vodka-Martini vergebe ich für diesen Schabernack, im Besitz meiner vernebelten Geisteskräfte, lockere 7 Punkte.
Güle Güle