Review

New York, 1929: der angesehene Verlagslektor Max Perkins (Colin Firth), der mit Frau Louise (Laura Linney) und 4 Töchtern in einer Villa am Stadtrand wohnt, erhält das 1000-seitige Manuskript des Nachwuchsautors Thomas Wolfe (Jude Law), das bereits alle Verlage abgelehnt haben. Er erkennt die große Begabung des Schriftstellers, der von seiner Ehefrau Aline (Nicole Kidman) unterstützt wird…

Michael Grandage (geb. 1962 in Yorkshire) ist ein erfolgreicher, britischer Theaterregisseur und von 2002-12 künstlerischer Leiter des Donmar Warehouse in London, der nebenbei ein paar Episoden von TV-Serien gedreht hat („Bugs“ 1997-98), als mit „Genius“ sein erster Spielfilm erscheint, der im Wettbewerb der Berlinale 2016 uraufgeführt wird. In seinem Literatur-Drama treffen gleich zwei Genies aufeinander, die von adäquat genialen Darstellern verkörpert werden. Max Perkins (1984-1947) ist der berühmte Lektor des Verlags Scribner’s, der bereits Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald zu Weltrum verholfen hat, Dargestellt Dominic West („Money Monster“ 2016) und Guy Pearce („Memento“ 2000) bleiben die beiden aber nur Staffage, weil sich Grandage ganz auf den Kern der biografischen Vorlage von Max Perkins konzentriert, seine Zusammenarbeit mit Thomas Wolfe. Colin Firth („Magic in the Moonlight“ 2014, „Kingsman“ 2014/17) spielt den Verlagsangestellten mit der ihm zu eigenen Zurückhaltung, bei der jede Gefühlsregung umso stärker rüber kommt. Jude Law („Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse“ 2004, „Sherlock Holmes“ 2009/11) hingegen spielt extrovertiert und voller Leidenschaft den früh verstorbenen Thomas Wolfe (1900-38), zu dessen Lebzeiten die von Perkins lektorierten Romane „Schau heimwärts, Engel“ und „Von Zeit und Strom“ erschienen, aus denen im Film immer wieder mit Colin Firth’ Stimme vorgelesen wird. Dabei berührt die starke Sprache von Wolfe auch in ihrer deutschen Übersetzung und ermuntert zur Lektüre seines Werkes, während der gesamte Film dem Zuschauer und Leser den mühsamen Weg vom Manuskript zur Druckvorlage aufzeigt.
In dem bis ins kleinste Detail stimmungsvoll nachgestellten New York der späten 1920er und -30er Jahren präsentiert Michael Grandage eine doppelte Biopic, die von 2 starken Hauptdarstellern so dominiert wird, dass kaum Platz für Nicole Kidman („Dogville“ 2003) als Frau und Mäzenin von Wolfe bleibt und ihr Verhalten nicht immer nachvollziehbar ist, sowie die kurzen Einblicke in Max Perkins’ Familienleben fragmentarisch wirken. Vielleicht wollte der Regisseur seinen anspruchsvollen, aber spannungsarmen Film nicht unnötig in die Länge ziehen. Über 104 min. hat er die Aufmerksamkeit seines Publikums allemal. (7,5/10)

Details
Ähnliche Filme