Die Zeit vergeht und ist schon immer vergangen. Kinder werden Erwachsene. Träume weichen der Realität und Menschen verschwinden. Und auch wenn wir uns nichts mehr wünschen als das: wir können nicht zurück.
"Wir sind die Flut" ist der beeindruckende Diplomfilm von Sebastian Hilger. Zugeordnet wird er dem Science-Fiction- und Mystery-Genre, wobei diese Kategorisierung aus meiner Sicht zwar durchaus gerechtfertigt ist, letztlich aber der Vielschichtigkeit und Komplexität des Filmes nur bedingt gerecht wird.
Unaufgeregt und scheinbar minimalistisch wird dem Zuschauer eine vielschichtige Geschichte, in deren Zentrum die jungen Physiker Micha und Jana stehen, erzählt. Gemeinsam haben sie an einem Projekt gearbeitet, das sich mit dem Verschwinden der Flut vor der Küste des Städtchens Windholm beschäftigt. Obwohl dieses Projekt auf Eis gelegt wurde, begeben sich die beiden zurück an den Ort des Geschehens und suchen weiter nach Gründen für die Ereignisse, zu denen auch das Verschwinden der Kinder des Dorfes gehört. Dabei werden sie mit ihrer eigenen Geschichte und Entwicklung sowie Grundproblemen der menschlichen Existenz konfrontiert.
Ein zentrales Thema des Films ist die Kindheit mit ihrer Vielzahl an Träumen und Möglichkeiten, die mit dem Erwachsenwerden der Realität zum Opfer fallen. Das ist sicher etwas, womit sich Bücher und Filme immer wieder beschäftigen und doch ist es lohnenswert, sich auf die Herangehensweise des Regisseurs und seines Teams einzulassen. Ich habe "Wir sind die Flut" im Rahmen des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen gesehen. In dem sich der Vorführung anschließenden Gespräch mit Hilger betonte dieser, dass der Film vom Zuschauer verlangt, zu entscheiden, wie weit er sich auf den Inhalt einlässt und bereit ist das Gesehene zu transkribieren. Wenn man sich dazu aufraffen kann (und der Film macht es einem wirklich leicht, das zu tun), wird man reich belohnt und aufgewühlt (im positivsten Sinn). Wer sich nur berieseln lassen will, sollte sich besser nach einer Alternative umsehen.
"Wir sind die Flut" ist innovatives Kino, wie man es sich nur wünschen kann und zeigt, dass in deutschen Landen kreative Ideen zu finden sind, die den Vergleich mit internationalen Projekten nicht zu scheuen brauchen. Bilder, Musik, Schauspieler, Ausstattung, Drehbuch (...), hier ist mit viel Hingabe ein rundes, stimmiges Gesamtkunstwerk entstanden.
Wer etwas für Gehirn und Bauch sucht: nur Mut!