Es gab zwei Trailer zum Film, der eine machte Lust auf mehr, der andere zeigte alles völlig verspult und hinderte mich eher daran, ins Kino zu gehen.
Egal, ein deutscher Film, der nicht nach der üblichen Unterhaltung, sondern nach etwas tiefschürfenderem aussah, ist das Experiment auf jeden Fall wert.
Inhalt:
Anja wohnt in der funktionierenden Großstadt, tickt selbst extrem nach deren Rhythmen.
Erst als sie einem Wolf in Freiheit gegenübersteht, ändert das bei ihr alles.
Sie ist besessen davon, ihn wiederzusehen. Sie schafft es sogar, den Wolf zu fangen und mehrere Tage bei sich in der Wohnung zu halten, bis der Wolf ausbricht und ihr plötzlich gegenübersteht...
Der Film:
Was im Trailer etwas verspult anmutete, ist verteilt auf knapp anderthalb Stunden Laufzeit durchaus gut konsumierbar, wenn man nicht gerade nur auf 0815-hirnfreie Kost aus Hollywood steht.
Nicolette Krebitz präsentiert uns eine nicht ganz glaubwürdige, aber auch keinesfalls gänzlich unrealistische Geschichte vom Ausbruch aus dem Alltag mit einer absolut anbetenswerten Hauptdarstellerin. Lilith Stangenberg schafft es, den Film ganz allein zu tragen. Von ihrer anfänglichen Verunsicherung im Umgang mit anderen Menschen (ihrer Überdrüssigkeit der Gesellschaft Ihrer Kollegen beispielsweise) über das Loslösen von auf der Tagesordnung stehenden Konventionen bis hin zum totalen Entsagen gegenüber der heutigen Gesellschaft nehme ich ihr jedes Detail ab.
Der Film wirbt auf einem Plakat mit den drei Adjektiven radikal, sinnlich und frei.
Radikal ist vielleicht etwas zu derb ausgedrückt. Gemessen an den Standards der Gesellschaft jedoch stimmt das durchaus in Bezug auf die Filmidee. Der Film kann das alles jedoch gar nicht so radikal zeigen, wir sehen schließlich nur einen Ausschnitt aus der ganzen Geschichte. Die Hausverwalterin erwähnt zwar den Krach und den Gestank aus der Wohnung, dies jedoch zu erleben, wäre erst wirklich radikal, nicht aber das darauf deuten. Andererseits setzt hier das Kopfkino ein, das evtl. das anstößt, was der Film nicht vermittelt.
Es ist aber nicht so, dass man das Gefühl hat, dass die Regisseurin das nicht könnte. Sie gibt nur den Denkanstoß, der Rest liegt am jeweiligen Zuschauer.
Sinnlich ist der Film auf jeden Fall. Es gibt ein paar wirklich mehr als außergewöhnliche Szenen in dem Film, aber das ist bei weitem nicht alles. Die Sinnlichkeit des Films beginnt eigentlich mit seiner Hauptdarstellerin Lilith Stangenberg. Vom grauen Mäuschen mausert sie sich zum Tier und obwohl sie überhaupt nicht meinem persönlichen „Beuteschema“ entspricht, schafft sie es, unglaublich viel Sinnlichkeit herüberzubringen, wahrscheinlich einfach, weil sie es extrem gut schafft, die animalische Seite anzudeuten.
Frei ist und macht der Film auch irgendwie, weil ich mir schon so lange denke, dass mir viele Facetten der aktuellen gesellschaftlichen Normen stinken und dass man sich gegen Teile davon wehren oder diese einfach ignorieren sollte. Hier ist der Film ein wirklich schönes Plädoyer gegen manche Normen einer kaputten Gesellschaft.
Gefilmt wurde dieses kleine, fast etwas zu unscheinbare Meisterwerk in sehr schönen und absolut passenden Bildern. Die sachlichen Fassaden der Hallenser Plattenbau erstrahlen meist in nüchternem und sterilem Blauton, die Szenen zwischen Anja und ihrem Wolf wirken viel freundlicher und haben eine eher gelbliche Tönung.
Fazit:
Der Film ist ein eigensinniges, eigenwilliges, minimal sperriges, gesellschaftsstandardfremdes und dadurch absolut einmaliges und großartiges Portrait einer etwas anderen Liebe und Revolution gegen bestehende Konventionen. Trotz sehr viel Ruhe bringt der Film sehr viel aggressives Gedankenfutter herüber.
Danke, danke, danke für einen solchen Film statt der üblichen Massenware!