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Wie wird Mann ein Mann?

Gleich die erste Szene in „Captain Fantastic“ liefert uns die Antwort: Und zwar im Rahmen eines befremdlichen Jagd- und Schlacht-Rituals mit einem Tier, welches der junge Bo auf Geheiß seines Vaters Ben (Viggo Mortensen) absolviert.

Später im Film macht sich die Familie über Gläubige lustig – schließlich hat Ben eine Doktrin an seinen Nachwuchs ausgegeben, nach der es okay ist, sich über Christen zu amüsieren. Doch worin besteht der Unterschied zwischen dem Zeremoniell von Ben und christlichen Bräuchen wie z.B. der Taufe oder der Konfirmation?

Oder eine der vielen weiteren Frage, die mich bei Sichtung von „Captain Fantastic“ beschäftigt haben: Ist es verwerflich, in extra dafür aus dem Boden gestampften Fitnessstudios trainieren, um den durch die Medien bestimmten Körperwahn mit zu prägen, aber Leibesertüchtigung unter freiem Himmel in Ordnung, wenn man die Sportlichkeit zum Überleben in der Natur braucht?

Anstatt solche Ambivalenzen in das Zentrum seines Filmes zu stellen, nimmt Matt Ross sie lediglich als Aufhänger für seichte Feelgood-Jokes und drückt damit punktgenau die Knöpfe eines Zielpublikums, das gerade seinen veganen Smoothie in der Kastanienallee genießt.

Die innere Logik seines „Captain Fantastic“ malträtiert er damit zusätzlich.

Das ist umso bedauerlicher, als die Fragestellung, ob ein Lebensentwurf wie der von Ben in der heutigen Zeit für Aussteigerwillige eine ernsthafte Alternative zur grassierenden Konsumgeilheit sein kann, reichhaltigen Diskussionsstoff liefert. Eine ernsthafte Erörterung dieses Problems muss leider einer – trotz aller Tragik der Handlungs-Triebfeder - behaglichen Wohlfühlatmosphäre weichen, die es am Ende doch wieder nur jedem recht machen will. „Captain Fantastic“ tendiert mehr in Richtung „Little Miss Sunshine“ als in Richtung „Mosquito Coast“. Schade.

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