Im Schatten der Terroranschläge vom 11.September inszenierte Spike Lee "The 25th Hour", in welchem dem Drogendealer Monty (Edward Norton) genau 24 Stunden Zeit bleiben, sich von seinen zwei besten Freunden, seiner Freundin und seinem Vater zu verabschieden. So unternehmen der Lehrer Jacob, Börsenbroker Frank und Naturelle eine letzte gemeinsame Tour durchs nächtliche New York, bevor Monty für sieben jahre ins Gefängnis wandern muss.
"25 Stunden" ist von Anfang ein Wettlauf gegen die Zeit, da den Beteiligten nur eine Nacht bleibt, um sich voneinander zu verabschieden. Von einer feucht-fröhlichen Nacht kann man nicht sprechen, vielmehr müssen Jacob, Frank und Monty erkennen, dass sie sich zwar ein Leben lang kennen, aber im Grunde genommen die unterschiedlichsten Typen sind. Egal, für welche der drei von Frank genannten Alternativen (Selbstmord, Flucht, Gefängnis) sich Monty entscheidet, er wird aus ihrer Mitte gerissen werden und nie wieder der sein, der er in dieser letzten Nacht noch ist. Drei Freunde, die vor einem Abgrund stehen - einem Abgrund so tief wie Ground Zero, den man an einer Stelle von Franks Wohnung aus zu spüren bekommt.
Doch auch Montys Innenleben weist beabsichtigte Parallelen zum Einsturz des World Trade Centers und der Gefühlslage vieler New Yorker auf: Ihm ging es nie richtig schlecht, obwohl seine Mutter früh starb und sein Vater einst Alkoholiker war, brachte er die besten Anlagen für ein erfolgreiches Leben mit, welches er, rein finanziell gesehen, durch seine Karriere als Drogendealer auch erreichte. Und plötzlich ist da nur noch Leere, nachdem er auffliegt und für ihn gibt es kein Entrinnen. Ein ganzes Leben stürzt ein, sodass er nicht einmal mehr seiner geliebten Naturelle trauen will, die er verdächtigt, ihn verraten und ausgenutzt zu haben.
Restlos gescheiterte Existenzen sind seine beiden besten Kumpels ebenfalls:
Jacob ist Lehrer, also finanziell abgesichert, bekommt aber kaum zwischenmenschliche Beziehungen zustande und ist in dieser Angelegenheit ein Verlierer im Quadrat. Seine ganze Unsicherheit kommt in den Gesprächen mit Frank zur Geltung, dem er gesteht, eine minderjährige Schülerin zu lieben, welche er schließlich zufälligerweise vor einer Discothek trifft und ihr näher kommt, als ihm lieb ist. Jacob ist für Philip Seymour Hoffman erneut eine Paraderolle als gesellschaftlicher Außenseiter, der einem nur Leid tun kann, trotz seiner ekligen Ausstrahlung.
Ganz anders ist da Frank, ein risikobereiter, dem exzessiven Leben nicht abgeneigter Börsenmakler, der so gefühlskalt agiert, dass man ihn eigentlich hassen muss. Zwar bringt er die Mittel mit, die Frauen auf ihn fliegen lassen (Ausstrahlung und Geld), doch in Wahrheit ist auch er mit sich und seinem Leben völlig unzufrieden, wird es schwer haben, einen Freund wie Monty zu finden, wenn der im Knast ist.
Äußerst unkonventionell ist der Abschied voneinander, in einer meisterhaft montierten Sequenz unter einer Brücke, wo Frank Monty auf dessen Bitten hin windelweich prügelt, damit der im Gefängnis überhaupt eine Chance zum Überleben hat, anstatt als geschniegeltes Bürschchen gleich Opfer von Vergewaltigungen zu werden.
Spike Lees Portrait der Stadt und der Protagonisten fällt mitunter äußerst kritisch aus, so bekommt die aktuelle amerikanische Regierung gleich mehrfach eins auf die Mütze, gleichzeitig ist der Film von erschreckender Aktualität, wenn Norton in bester De Niro-Manier vor einem Spiegel steht und er Hasstiraden auf alle ethnischen Gruppen sowie Bin Laden loslässt. Eine Szene mit Klassikerpotential, ebenso wie die komplette Schlusssequenz, die verbittert mit dem amerikanischen Frontier-Geist und dem Traum von Freiheit abrechnet. Wie es mit den Beteiligten weitergeht, bleibt völlig offen, "25 Stunden" ist vielmehr eine Bestandsaufnahme als ein in sich geschlossener Kosmos, sodass genug Raum für eigene Interpretationen bleibt.
Wenn man dem Film etwas ankreiden kann, dann sind es ein paar zu langwierige Szenen, die jedoch weniger ins Gewicht fallen als die positive Aura Nortons, dem man den Drogendealer, der Menschenleben kaputt macht, manchmal einfach nicht abnehmen kann, so sympathisch kommt er rüber. Wie schon sein Vater einmal sagt: "Du hast einfach diese Gabe, dass die Menschen dich mögen."
Trotzdem darf Spike Lees Film als rundum gelungen und unkonventionell bezeichnen. Ein bewegendes, manchmal erschreckendes Aufdecken amerikanischer Ängste nach dem 11.September und tiefgreifendes menschliches Drama zugleich, welches äußerst pessimistisch endet und in das man prima versinken kann. Erst der tolle Springsteen-Song "The Fuse" im Abspann wirkt wie ein Fingerschnipsen, durch das der Zuschauer erwacht und wieder ein wenig Hoffnung schöpfen kann. Ansonten ist das wenig mainstream-freundlich, aber von höcht erfreulicher schauspielerischer und inszenatorischer Qualität. Ein Gehimtipp, der sich fast schon zum Must-See gemausert hat, am besten so bald wie möglich, solange die aktuelle Komponente noch nicht verflogen ist.