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Es gibt Filme, die sind so lausbübisch neben der vielbefahrenen Spur des eigentlich totgefahren Üblichen, dass sie Bewunderung abverlangen. Jedenfalls gilt das für die, die bizarren Humor nicht als der Norm entflohene Perversion wahrnehmen und einen kaltschnäuzig dahingerülpsten Kommentar in Sachen jugendlicher Film- und Fernsehlandschaft nicht als pubertär (!) bezeichnen würden. Wenn man also sozusagen ein Mensch ist, der, anstatt desillusioniert die Segel zu streichen im Angesicht der qualitativen Ebbe des restlos durchkommerzialisierten Cineplex-Kinos unserer Tage, die Frechheit besitzt, mit den ungeschriebenen Regeln der gemeinhin als grundsätzlich erachteten cineastischen Etikette zu brechen. Das mag man übrigens „aufgesetzt" schelten oder „pseudointellektuell" heißen, die Suche nach Wegen aus der öden Tristesse des Massengeschmacks ist Wesensmerkmal von Filmfreunden, die, auf welche Weise auch immer, anders (als die meisten anderen) sind. Sicher, das Hinwegsetzen über sittliche Standards und das bewusste Konterkarieren von Salonfähigkeit als Kontrapunkt zur Trivialität der filmischen Stromlinienform streift nicht selten den Selbstzweck. Aber das ist eben manchmal so, wenn man sich für Psychohygiene Zeit nimmt.

Der meist nackt durch sein kleines suburbanes Domizil laufende Big Ronnie (Michael St. Michaels) lebt mit seinem erwachsenen Sohn (Sky Elobar) in bizarrer Zweisamkeit zusammen. Die dazugehörige Mutter hat sich bereits vor Jahrzehnten (aus gutem Grund) aus dem Staub gemacht, was das nerdig-wunderliche Paar dazu zwingt, in Sachen Hausarbeit und Küchenschlacht für sich selbst zu sorgen. Oberste Regel dabei ist, dass Big Ronnie sein Essen vom Filius kalorienreich vorgesetzt bekommt. Ganz gleich, was er isst, es muss im Fett schwimmen. So ist es also am Sohn, seinen alten Herrn kulinarisch nicht zu enttäuschen. Und auch sonst sollte er den cholerischen Alten nicht verstimmen. Doch genau das tut er, als er sich erstmals im Leben (trotz der in den Fokus gerückten kleinen Größe seiner Männlichkeit) eine Freundin angelt. Die befindet sich nun allerdings in höchster Lebensgefahr, denn Daddy ist nicht nur tagsüber ein wunderlicher Kauz (und altes Ferkel), sondern bei seinen nächtlichen Spaziergängen der titelgebende „Greasy Strangler". Über und über mit Fett beschmiert streift er durch die Nacht und erwürgt arglose Leute. Es stellt sich für Big Ronnie nun einzig die Frage: Soll er als alter Schwerenöter seinem Sohn die Schnitte ausspannen und sich selbst ein wenig mit ihr verlustieren - oder soll er sie erwürgen?

Man merkt gleich, diese befremdliche Geschichte wird nicht von namhaften Filmmenschen unter die lieben Leute gebracht. Denn eigentlich ist sie einzig und allein dazu da, einfach mal wirklich alles das zu tun, was man nicht tun sollte, wenn man einen Ruf (oder ein Budget) zu verlieren hätte. Und so schert sich der britische Beinahe-Regie-Neuling Jim Hosking in der Tat nicht um eine einzige Gesetzmäßigkeit gewöhnlichen Kinos. Die Motivation seiner Figuren ist nicht plausibel, die Auswahl der Kulissen und Ausstattung bewusst geschmacklos und das Potential der Darsteller geflissentlich nicht genutzt. Obwohl es sichtbar vorhanden ist. Es ist, als würde man einen Schimpansen ans Steuer eines Lastkraftwagens setzten - und zur Überraschung aller fährt der Schimpanse los. Dabei ist es allen Beteiligten offenbar nicht nur vollkommen klar, sondern überdies auch völlig egal, dass sie sich zum Affen machen. Man lässt ohne Unterlass die Hüllen fallen, quengelt oder pupst wahlweise aus Protest und schmiert sich demonstrativ die Reste der Bratwurst ins Gesicht. Hier mit den üblichen Kriterien für nachvollziehbar qualitatives Schaffen zu hantieren, wäre ein fruchtloses Unterfangen. Und naiv dazu. Hätte man doch Zielsetzung und Zielgruppe dieses erwähnenswerten Filmchens völlig missverstanden.

„The Grasy Strangler" nämlich ist kein Horrorfilm. Er ist ein schwarzhumoriger Kurztrip in den kalkulierten Irrsinn. Eine Persiflage all dessen, was heute im Kino als axiomatisch gilt. Eine kleine Auszeit vom monotonen Alltag sozusagen. Und die muss man sich schon nehmen wollen, wenn man sich dieser für die Mehrzahl wohl denkbar sperrigen filmischen Angelegenheit widmen mag. Denn wie unüblich ist es etwa, einen Star-Friseur aus den Siebzigern aus der Rente zu holen, um mit ihm die Hauptrolle eines völlig gegen den Strich gekämmten Spartenfilms zu besetzen?

Ungeachtet aller hier dargebotenen Bizarrerien ist allerdings etwas ganz anderes das wohl Sonderbarste an diesem filmischen Tritt in den Hintern. Nämlich, dass er aus Amerika kommt. Zu keiner Sekunde wirkt „The Greasy Strangler" wie eine US-Produktion, sondern erinnert viel eher an (oft auch nur vorgeblich) verkopfte Beiträge alternativer europäischer Filmkultur. Doch siehe und staune - auch in der neuen Welt regt sich der Unmut über das, was da Tag ein, Tag aus an Fließbanderzeugnissen mund- und familiengerecht verpackt, vermarktet und konsumiert wird. Obwohl es inhaltlich leer und cineastisch geschmacklos ist. Wie übrigens auch die Geschichte um einen im Bratfett badenden Killer. Und wie, wenn nicht als den Nonsens unserer Tage widerspiegelndes Kontrastprogramm dürfte Jim Hoskings Zerrbild des modernen Kinos seine Legitimation erfahren?

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