Review

Netz ohne doppelten Boden

Meine Generation kann sich gerade noch so an das Leben ohne PCs & dem Internet erinnern. Bei meinen Kindern wird dies anders sein. Doch ist das nun Fluch oder Segen? Traurig oder toll? Natürlicher Fortschritt oder unvermeidbarer Untergang? Vielen dieser Fragen, Ansätze & Punkte geht nun ein Mann auf den Grund, der noch ein bis zwei Generation hinter mir liegt: Werner Herzog mit "Lo & Behold". Eine Legende des deutschen Films & einer der engagiertesten & prestigeträchtigsten Dokumentarfilmer der letzten 50 Jahre. Dass gerade er, gelinde gesagt ein alter Mann, dem Thema Internet & Cyberspace auf den Grund geht, ist mutig, überraschend sowie selbstverständlich zugleich. Keiner hätte es wohl ansprechender & tiefsinniger machen können. 

Mit dieser in Deutschland ebenfalls passend betitelten Doku ("Wovon träumt das Internet?"), geht der passionierte Altmeister den Gründen, den Wegen & den Zielen des Webs auf den Grund. Verständlich, interessant, sehenswert. Anhand von zehn Kapiteln, etwas an die 10 Gebote erinnernd, geht er von dem Raum, in dem das Netz seine ersten Schritte tat, bis hin zu der Zukunft des World Wide Web, vielleicht auf dem Mars. Dabei streift er ansteckend positive sowie warnend vorsichtige Wissenschaftler, selbstfahrende Autos oder auch  (viel zu kurz) die dunkleren Seiten des Webs bzw. im Endeffekt von uns Menschen. Immer auf dem Boden geblieben, liebenswert humorvoll & nie übermäßig predigend, halte ich "Lo & Behold" für eine der besten Dokus aus 2016. Und ebenso für einen Höhepunkt des weisen Regisseurs & seiner gereiften Dokuarbeit. 

Herzog geht (wie immer) mit Neugier & angenehmer Menschlichkeit, geschweige denn Natürlichkeit an die Sache heran. Er macht ein unfassbar komplexes & weites Thema übersichtlich greifbar & guckt hinter den Vorhang, verbindet Technik mit Glaube, Persönlichkeit & was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Man kann nur hoffen, dass ein paar der angesprochenen Horrorszenarios nicht oder nicht so zu Stande kommen. Highlights der weitreichenden & lehrreichen Doku über den sozialen & wissenstechnischen Kern der Menschheit, waren für mich die Robotertechnologie oder dazu im Gegensatz die komplett ohne Technik lebenden Eremiten. Gegensätze ziehen sich in der Tat an. Wie der natürliche & Natur liebende Herzog & das künstliche, allumfassende Gehirn namens Internet. 

Fazit: eine der besten Dokus des Jahres - Faszination & Angst, Vergangenheit & Zukunft, Hilfe & Hinderung des Internets auf den Punkt gebracht. W.H. kann es immer noch! Zukunftsweisend & gleichzeitig sympathisch verwurzelt, menschlich & gelassen an einem möglichen Abgrund.

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