Review

Hätte man nicht unfassbarer schreiben können

Wenn aus Tragik Komik wird... und dann wieder Tragik. 

Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die man sich nicht besser hätte ausdenken. 2011: Der New Yorker demokratische Politiker Anthony Weiner tritt auf Grund eines Sexting-Skandals (Pipimann-Bilder per Chat versendet) aus seinem Amt zurück. Drei Jahre später kandidiert er aussichtsreich & nahezu rehabilitiert für den Mayor-Posten seiner Stadt und lädt ein Doku-Team ein, diesen Wahlkampf zu begleiten. Doch währenddessen macht er es schon wieder, noch explizierter als je zuvor... und die Kameras halten voll drauf. O M G! Ohne Erbarmen, ohne Skrupel, ohne ehrliche Scham. Von allen Seiten. Ein Skandal live in seiner Entstehung. Inklusive Auswirkungen auf Karrieren, Ehen, Menschen. Bis hoch zu Hillary Clintons Wahlkampf, deren rechte Hand lange Zeit Anthony Weiners (noch immer!) Ehefrau war. Eine Doku, wie es sie noch nie gegeben hat. Ironisch, lustig, tragisch, erschütternd. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, weit über politischen Wahlkampf hinaus. Ein menschlicher Autounfall vor unseren Augen. Und man kann nicht wegsehen. Mitleid wechselt sich mit Unverständnis und Fremdscham ab. Wie ein kleiner "Weiner" ein Bild von Amerika zeichnet, dass alles andere als schmeichelt...

Etwas schade ist, dass die Geschichte von Anthony Weiner noch gar nicht zu Ende ist und die Doku daher als etwas frühreif bezeichnet werden kann. Gerade durch neueste Infos über das scheinbare Eheaus und Sexting mit einer 15 Jährigen. Da verfliegt einem schnell das Schmunzeln, das Mitleid und letzte Quäntchen Respekt für den eigentlich recht charismatischen Mann und guten Politiker. Doch selbst ohne die neuesten Erschütterungen rüttelt einen diese einzigartige Doku auf. Da muss man nichtmal Ami für sein. Nah am Wahlkampf, nah an den Personen, fast unangenehm nah. Allein Gespräche innerhalb des Wahlkampf-Teams nach der wiederholten Enthüllung oder sekundenlanges Schweigen und Blicke zwischen Anthony und seiner Frau Huma - kaum zu ertragen! Besonders lobenswert und beachtlich ist, dass der Mann nicht gänzlich verteufelt wird, weder vom neutralen Doku-Team noch von den Bürgern New Yorks, zumindest zuerst, und er auch auf uns Zuschauer sogar am Ende eher Mitleid erzeugt als Wut oder Hass. Er wirkt extrem hilflos in all seinen seltsamen Süchten, sich zu zeigen, privat wie öffentlich, im Anzug wie nackt. Ich kenne keine ansatzweise vergleichbare und ähnlich unfassbare Doku. Manchmal wirkt das Ganze etwas sehr showartig, amerikanisch und arrangiert, was jedoch nur noch eine weitere Ebene unter alles legt. Was für ein Zufallsfoto aus dem aktuellen, strangen Jahrzent neben der virtuellen Spur. Sagt der Name nicht schon alles über einen Mann? 

Fazit: mehr als nur ein Blick hinter die Kulissen einer politischen Wahl und eines Mannes auf Abwegen - "Weiner" ist komisch, tragisch und eine Geschichte, die einem keiner glauben würde, wäre sie nicht so bekannt. 

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