Review

kurz angerissen*

Kein Wunder, dass dieses romantische Coming-Of-Age-Drama die halbe Welt im Sturm erobert hat. Makoto Shinkai, kreativer Alleinverantwortlicher von „Your Name.“, lässt Wellen der visuellen Überwältigung über den Betrachter rollen und gedenkt nicht damit aufzuhören, bis der Abspann einsetzt. Die Animatoren erschaffen ein Meisterwerk emotionaler Manipulation. In zweidimensionaler Perspektive verharren sie, um sich dort in den kleinsten Details aus Bewegung und Struktur zu verlieren, um dann unvermittelt zu einer vogelfreien, unberechenbaren Kamerafahrt zu beschleunigen. Der gesamte Film scheint wie in Aufsicht gefilmt. Niemals ist der Blick in den Himmel verhangen. Wolken und andere Elemente spielen im Auge der Tiefe ein Ballett vor endlos blauer Bühne. Dazu erfüllt der schnelle High-School-Rock der Radwimps die Luft, die aber im Angesicht des Wolkenspiels etwas Elegisches einzufangen versuchen, das fast wie die isländischen Flüsterer von Sigur Rós anmutet.

Zudem ist die auf den ersten Blick ausgelutschte Körpertausch-Idee auch noch mit dem Bewusstsein für das Besondere ausgestattet, das aus gewöhnlichen Ideen, die jeder haben kann, etwas Außergewöhnliches macht. Die vermutlich in der japanischen Mythologie verwurzelte Symbolik des geknüpften Bands verfügt über eine universelle Allgemeingültigkeit. Historisch-Kulturelles aus Japan wird zwar zusätzlich thematisiert, eingewoben jedoch in eine technisierte Gegenwart, die der Globalisierung wegen einen offenen Zugriff von überall erlaubt – fast wie ein Public-Domain-Inhalt. Dazu kommen sympathisch-schusselige Charaktere, mit denen man lachen und sich um sie sorgen kann, die Pathos mit Humor zu brechen wissen oder umgekehrt. Außerdem bietet dieses Werk eine mit spürbarer Liebe und Sorgfalt zum Leben erweckte Kulisse aus Bahnhöfen, Wohnungen, städtisch-öffentlichen Lokalitäten und einer wie aus einer erfundenen Welt gestohlenen Krater- und Seelandschaft.

Dass so etwas vom Auge direkt ins Herz geht, ist verständlich. Gefährlich ist allerdings die sich wiederholende klimatische Steigerung mitsamt retardierender Momente und aller möglichen Kniffe, um das emotionale Zentrum bis auf den letzten Tropfen auszuquetschen. Schon die Eröffnungssequenz liest sich praktisch wie ein Abspann, trunken vor der Sehnsucht nach der Unendlichkeit. Die im Kern bodenständige Geschichte um zwei Jugendliche auf der Suche nach ihrer Bestimmung wird mit einem Himmelsbett an Bedeutung überdacht, das sich auf langer Strecke als Belastung entpuppen kann. „Your Name.“ ist kein Film der leisen Töne; introvertierte Handlungsmuster haben keine Chance auf Durchsetzung. Es geht darum, das eigene Innenleben in die Welt zu schreien und dabei möglichst eine Explosion von Sternen auszulösen. Darin ist eine gewisse Gefahr der Ermüdung gegeben; wenn über eine Zeitspanne von über 100 Minuten immer wieder Höhepunkte markiert werden, ist ein solches Risiko naturgemäß vorhanden.

Trotzdem ist „Your Name.“ ein durch und durch schöner Film, weil er gar keine besondere Mitarbeit oder Vorbereitung vom Zuschauer verlangt. Man wird auf dem fliegenden Teppich einfach mitgetragen – ob man will oder nicht.

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