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Nur wenige Jahre nach der legendären „Rocky Horror Picture Show" schufen Regisseur Jim Sharman und Musiker Richard O'Brien diesen 80er-Trash-Musical-Hit, der als offizielle Fortsetzung seines Riesenerfolgs vermarktet wurde, obwohl er inhaltlich quasi nichts mit dem Vorgänger gemein hat: „Shock Treatment" erzählt - soweit man das nachvollziehen kann - die skurrile Geschichte eines Pärchens, das als Zuschauer bei einer seltsamen Fernsehshow dabei ist und vom Moderator für ein noch seltsameres Unterhaltungsprogramm ausgewählt wird. Der Rest ist ein irrsinnig-durchgeknallter Trip aus Musik, Sex, Slapstick und schrillen Kostümen.

Die Wesensverwandtschaft zum 70er-Jahre-Kult-Hit mit Tim Curry und Susan Sarandon ist durchaus erkennbar: Verrückte Ideen werden im Minutentakt durchgespielt, mit zahlreichen schmissigen Pop-Hits versehen und in reichlich hohem Tempo vorgetragen. Die meisten Figuren sind extrem grell überzeichnete Charaktere - der blinde Moderator mit seinem bizarren Verhalten, die unheimlichen Ärzte und sexy Krankenschwestern in der Klinik, in der der Freund seiner „Schocktherapie" unterzogen wird, die Freundin, die vom Mauerblümchen zur begehrten Bühnen-Queen umgestylt wird - um nur einige zu nennen. Die wirre Handlung, deren Zusammenhänge mitunter nur erahnt werden können, wird in einem irren Tempo durchgepeitscht; rasante Schnitte, häufige Kulissenwechsel und teils sprunghafte Storyentwicklungen lassen den Zuschauer kaum zu Atem kommen. Da kommen einige Songs gerade recht, um zumindest mal kurze Pausen genießen zu können.

Bei aller Schrillheit kann „Shock Treatment" aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein deutlich harmloserer Angriff auf die brave „Mitte der Gesellschaft" ist. Trotz nackter Haut und Frivolität bleibt hier doch alles erstaunlich heteronormativ - keine Männer in Strapsen, keine schwulen Frankenstein-Monster, lediglich diverse Hetero-Pärchen, deren Beziehungskonflikte eher behauptet als gezeigt werden (und zum Ende ein Bruder-Kampf, der völlig aus dem Nichts kommt). Von der queeren Strahlkraft des angeblichen Vorgängers ist hier kaum etwas zu sehen, was dem Ganzen einiges an kritischer und subversiver Schärfe nimmt.

Subversiv ist der Film dagegen in anderer Hinsicht: Mit Zielgenauigkeit in Ton und Tempo nimmt er die Oberflächlichkeit und primitive Manipulation des Fernsehens aufs Korn. Eingespielte Werbetrailer, ein Publikum, das quasi im Studio wohnt und willfährig alles macht, was ihnen die Studioleitung befiehlt, abgehobene Produzenten, irrsinnige Mitarbeiter, lächerliches Trash-Programm - „Shock Treatment" nimmt so einige im Lauf der Jahre schlimmer gewordene Entwicklungen im Bereich des Privatfernsehens vorweg und zeigt eine künstliche Welt, in der selbst die irrsten und schwachsinnigsten Wendungen von allen Zuschauenden einfach geschluckt werden. In dieser Hinsicht entfaltet er doch noch einmal seine ganze gesellschaftskritische Kraft.

Die Popsongs sind schmissig, wenn auch bei weitem keine Evergreens, die Hauptdarstellerin überzeugt mit Charisma und Sympathie, der restliche Cast mit herrlich hemmungslosem Overacting und die Story, so sie denn vorhanden ist, mit einigen, wenn auch nicht übermäßig scharfen Attacken gegen konservative Engstirnigkeit. Spaß macht „Shock Treatment" damit auf jeden Fall - allein schon wegen seines mittlerweile reichlich trashig anmutenden 80er-Styles. Wer aber richtig verrückte Party machen will, der sollte lieber bei der „Rocky Horror Picture Show" bleiben.

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