„Guns N' Roses waren anders als die ganzen anderen Bands…“
Der britische Musikdokumentarfilmer Jon Brewer debütierte im Jahre 2005 mit „All Apologies – Kurt Cobain“ und drehte im Anschluss Filme über BB King und Bad Company. 2016 folgte für die BBC dieser abendfüllende Film über die Sleaze-Hardrock-Band Guns N‘ Roses aus Los Angeles, der seinerzeit, in der zweiten Hälfte der 1980er, ein kometenhafter Aufstieg gelang.
Die Band rekrutierte sich aus dem Umfeld der L.A.-Poser-Bands, war aber angetreten, es anders und besser zu machen. Und sie machte es anders und besser. Sie brachte mit Slash einen der bis heute ikonischsten Rockgitarristen und mit W. Axl Rose einen der streitbarsten Sänger hervor. Und mit „Appetite For Destruction“ zudem ein großartiges Debütalbum, das musikalisch mitreißende Songs mit dreckigen, aber der Realität entlehnten Texten bot. Das war kein überschminktes Tuntenballett mit Partymusik, das wirkte aggressiv und – bezugnehmend auf den heillos übertriebenen Filmtitel – auf neugierig machende, angenehme Weise tatsächlich nicht ganz ungefährlich. Guns N‘ Roses hatten eine Aura.
Für seinen Film etabliert Brewer einen eigenen fiktionalen Handlungsstrang um eine junge Frau, der nur ganz am Rande stattfindet und komplett überflüssig ist. Der eigentliche Einstieg beginnt mit dem L.A. Mitte der ‘80er und dessen Läden, in denen sich die Musiker tummelten und Konzerte der Szene stattfanden. Im Stil einer mit viel Archivmaterial unterlegten Oral History kommen dann Bandmitglieder, Kollegen und Wegbegleiter zu Wort, die den Aufstieg der Band nachzeichnen. Vorausgegangene Combos wie London, Hollywood Rose und L.A. Guns werden genannt und die „Hair Metal“-Explosion um Mötley Crüe und deren Epigonen beschrieben, auch als Einflüsse auf Guns N‘ Roses. Bassist Duff McKagan habe den Punk und damit einen wichtigen Eckpfeiler des Sounds der Band mitgebracht. Von bescheidenen und schwierigen Anfängen über protzig viel Sex, Stripperinnen auf der Bühne und schnell sehr viel Drogenscheiß bis hin zum überragenden Erfolg mit dem Debütalbum, bei dem MTV als Multiplikator eine gewichtige Rolle spielte, wird die wichtigste und kreativste Bandphase nacherzählt.
Ab dann häuften sich die Probleme, die Brewer allein schon aus Zeitgründen relativ schnell abhandelt. Egomanische Rockstar-Attitüde trifft auf immer stärker werdende Drogenprobleme. Axl versucht noch dagegenzuhalten, aber Drummer Steven Adler wirft noch vor dem überambitionierten „Use Your Illusion“-Doppelalbum das Handtuch. Gerichtsprozesse, Axls Allüren auf der Bühne, die zu katastrophalen Ausschreitungen führen, Rhythmusgitarrist Izzy Stradlins Ausstieg – um die Musik geht es bald überhaupt nicht mehr, dafür watet man mehr als nur knietief durch den Alkohol- und Drogensumpf. Dass alle auch ehemaligen Bandmitglieder noch leben, grenzt zuweilen an ein Wunder.
Axls beschissene Kindheit wird einmal als eine Art Erklärungsversuch herangezogen, aber kaum vertieft. Über rassistische und sexistische Ausfälle erfährt man ebenso wenig wie über die damalige Fehde mit Nirvana und Axls Quasi-Alleingang mit dem erst 2008 veröffentlichten Album „Chinese Democracy“ ist dann auch eher eine Randnotiz. Ok, letzteres interessiert auch wirklich keine Sau. Unterm Strich also viel kaputtes Hollywood, Skandale und Abgründe, aber eher wenig Erhellendes über die Musik, ihre Entstehung und Hintergründe. Das wirkt dann leider oftmals so oberflächlich wie L.A. anscheinend einfach ist und ruft mir ins Gedächtnis, warum ich seinerzeit sehr schnell keinen Bock mehr auf diese Band hatte. Zugegebenermaßen zeigen die Musik-, Videoclip- und Gig-Schnipsel mir aber auch, was ich damals an ihr fand. Und an „Appetite…“ noch immer finde.