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Das Horror-Adventure Konsolenspiel „The Last of Us" sollte 2013, kurz vor der Vorstellung der PS4, der letzte große Hit der Playstation 3 werden. Es erschien exklusiv bei Sony und wurde tatsächlich zum erhofften Erfolg. In der Story des Spiels bahnten sich ein stämmiger Mann und ein Mädchen im beginnenden Teenie-Alter ihren Weg durch die postapokalyptische Ostküste der (ehemaligen) Vereinigten Staaten. Ein Pilz (!) hat in den Jahren zuvor den Großteil der Weltbevölkerung dahingerafft oder in Monster verwandelt. Während des arg abwechslungslosen Gameplays folgte man stur dem vorgezeigten Weg und konnte sich nicht, wie etwa beim Konkurrenzprodukt „Dead Island", das als Open-World-Spiel angelegt war, frei umherbewegen, um der sattsam bekannten Hölle an Zombie- und Mad-Max-Szenario zu entkommen. Natürlich würde auch ein Kinofilm nicht lange auf sich warten lassen, denn alle erfolgreichen Game-Ideen wollen auch noch an das restliche Taschengeld der Kids. Doch Vorsicht, Obacht und Augen auf - denn der geplante Kinofilm ist noch in der Vorbereitungsphase. Das hier, dieses Mädchen mit allen Talenten, ist keine Verfilmung des Playstation-Hits, sondern die eines Romans des Comic-Autors M.R. Carey, der gewöhnlich für das DC Universum tätig ist. Soweit, so uninteressant. Doch brachte Carey sein inhaltlich auffallend ähnlich gehaltenes Buch im Sommer des Jahres 2014 auf den Markt - und damit nach (!) Erscheinen von „The Last of Us". Wer da wiedermal von wem was abgeguckt hat, sei nun vor- und dahingestellt.

Nicht Boston, sondern London ist das Ziel einer militärischen Reisegruppe, die aus ein paar Wissenschaftlern und ihren Beschützern besteht und die ein junges Mädchen zu Forschungszwecken in die ehemalige britische Metropole verbringt. Die Stadt an der Themse ist inzwischen mit Grün aus dem Computer überwachsen und gleicht einem großen Friedhof. Das junge Ding wirkt freundlich, liebenswert und ist hochintelligent. Und es trägt eine Gesichtsmaske. Gebissen werden möchte man nämlich lieber nicht von der Kleinen, die sich bei zu engem Körperkontakt mit ihren Mitmenschen zur Bestie verwandelt. Denn sie ist ebenso infiziert mit einem Pilz, wie der überwiegende Rest der noch nicht völlig vermoderten Weltbevölkerung. Nur scheint sie selbst gegen den todbringenden Fungus, der eigentlich in eine Art Tollwutzustand versetzt, immun zu sein. Was es damit auf sich hat und wozu das alles führt, sei an dieser Stelle nicht verraten.

Careys Geschichte legt großen Wert auf ihre Figuren und versucht, in einem Genre mit Psychologie und Moral zu punkten, dem nach „The Walking Dead" oder „28 Days Later" narrativ eigentlich nichts mehr hinzuzufügen wäre. Zu diesem Zweck hat man in einem cleveren Schachzug die formidable Glenn Close rekrutiert, die als abgestumpfte Forscherin und unentwegte Mahnerin gewohnt Qualität liefert. Es ist die Beziehung der Gruppe zu dem kleinen Mädchen und die Frage des ethischen Umgangs mit einer schwer zu kalkulierenden Gefahr, die den Film durchdringen. Das Motiv von Schuld, Unschuld und Menschlichkeit. Und (leider?) nicht der Versuch, möglichst schaurige Monster oder paradigmenwechselndes Make-Up zu kreieren. Auf diesem Gebiet reicht einem Ausnahmefilmer wie Danny Boyle nämlich ohnehin niemand das Wasser und hat auch die amerikanische Kult-Zombieserie längst ein Level an durchaus selbstzweckhafter Gewalt vorgegeben, das sowieso nicht erreicht werden kann. Die Zombies in „The Girl with all the Gifts" erinnern beinahe an die seligen Torkler aus dem originalen „Dawn oft he Dead" von George A. Romero aus dem Jahre 1978. Sie sind angestaubt, grün angemalt und haben hie und da ein paar Spaghetti im Gesicht. Doch trotz des offenbar anderweitig gesetzten Schwerpunkts ist das schade. Denn der natürlich intendierten finsteren Stimmung des Films tut das ebenso Abbruch, wie das bei den CGI-Männchen der Fall war, die vor ein paar Jahren Will Smith in „I am Legend" hinterherstiegen und sogar ihre Hunde Gassi führten. So ist das Spiel des mitunter tollen Cast zwar überhaupt nicht maskenhaft, doch bleiben die Masken selbst etwas unbedarft.

Ist man willens und sieht sich in der Lage, M.R. Careys „The Girl with all the Gifts" den Billiglook nachzusehen (Der Film kostete gerade einmal 4 Millionen Pfund), so ist der ungetrübte Filmspaß allerdings immer noch nicht garantiert. Denn das Ende des Films (und des Romans!) schafft es, selbst dem schmerzunempfindlichen Zuschauer auf den Zahn (und den Nerv!) zu fühlen. Ohne zu spoilern, muss gewarnt werden, dass das Finale, je nach Sichtweise, äußerst unkonventionell gerät - oder eben völlig misslingt. Einer fehlerhaften Erwachsenenwelt werden da nämlich vom Herrn der Fliegen ordentlich die Leviten gelesen. Nur ist das Zuhören nicht jedermanns Sache. Das Lesen aber auch nicht.

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