Review
von Leimbacher-Mario
Es fährt ein Zug, nach nirgendwo
Die besten Geschichte schreibt das Leben selbst - das beweist nachdrücklich "Lion", in dem Hollywood mal wieder die Lorbeeren von Vater Schicksal & Mutter Herz einsackt. Spaß beiseite - "Lion" ist ein Tränendrücker aller erster Klasse & er wäre in jedem anderen Jahr, ohne "Moonlight" oder "La La Land", sicher Oscarfavorit. Man kann kaum glauben was man hier sieht & fiebert bei jedem Klick mit, mit dem unser verlorener Held seiner Heimat ein kleines Stück näher kommt. Erzählt wird die unglaubliche Story des kleinen/großen indischen Jungen Saroo. Zuerst wie er als Knirps durch Pech im falschen Zug einschläft & tausende Kilometer von zu Hause ankommt. Danach wie er 20 Jahre später als junger Mann, mittlerweile adoptiert & in Australien, seine wahre Familie sucht...
Lange saß ich nicht mehr in einem so vollen Kino, dass am Ende einhellig begeistert die Tränen aus dem Gesicht wischte. Ein wahnsinnig positiver & kraftvoller Film, der seinen Namen verdient hat. Ein unvergessliches Gruppenerlebnis dieser Kinobesuch. "Lion" schreit förmlich Oscar, ist aber alles andere als trocken, langweilig oder berechnend. Selbst wenn die Weinsteins produzieren. Ein zweigeteilter Film, die erste Hälfte fast gänzlich untertitelt & die schrecklichsten Seiten Indiens zeigend oder zumindest andeutend. Hälfte zwei dann hoffnungsvoller, klassischer & mit kräftigem Google-Support. Vorsprung durch Technik.
Das tränenreiche Finale kann man erahnen & wird ausgiebig zelebriert, lang gezogen. Außerdem scheint der letztliche Durchbruch zum Finden der indischen Heimat am heimischen PC doch arg zufällig & wenig erklärt. Insgesamt ist "Lion" jedoch ein Gefühlsfeuerwerk der Extraklasse, wie es wohl fast nur Hollywood auf die Reihe kriegt. Wie eine Mischung aus "Slumdog Millionaire" & der besten Folge von "Vermisst" aller Zeiten. Was für ein schreckliches Loch Indien sein kann & wie wunderschön gleichzeitig, ist immer wieder schierer Wahnsinn. Und wenn man dann ein hilfloses Kind mittendrin herumirren sieht, kann man nur in die Geschichte hineingezogen werden. Man will quasi schreien "Helft ihm doch!".
Dev Patel zeigt mal wieder warum er nicht nur einer der sympathischsten sondern auch zu einem der besten Schauspieler der Welt gereift ist. Ein paar unfassbare Szenen werden ihm & uns hier geschenkt. Nur der kleine Sunny Pawar, der seine jüngere Version spielt, stiehlt ihm noch die Show. Kein Junge oder Kind war dieses Jahr süßer als er. Pures Zucker karamellisiert. Und was für ein Talent! Da verblassen sogar gut aufgelegte Hochkaräter wie Rooney Mara oder Nicole Kidman in Nebenrollen. Und spätestens wenn über den Abspann Bilder der echten Leute flimmern, waren meine Tränenkanäle sauber gespült.
Fazit: schöner kann Google Earth-Werbung wohl kaum sein ;). Eine unfassbare wahre Geschichte, die selbst trockensten Augen eine oder mehrere Tränen entlockt. Hochklassig gespielt, sehr hübsch, das süßeste Kind des Filmjahres - "Lion" ist ein absoluter Publikumsliebling!