Review
von Leimbacher-Mario
Tote haben keinen Zeitdruck
Nachdem Anthony "Norman Bates" Perkins' Sohn, Oz Perkins, mit seinem Regiedebüt "February" bereits letztes Jahr verstörte, spaltete & faszinierte, liefert er nun mit dem lang betitelten Netflix-Exclusive "I Am The Pretty Thing That Lives In The House" gruseligen Nachschub. Zumindest gruselig in seinen besten Momenten & extrem schaurig in seiner Haunted-House-Romantik-Atmo. Und der Regiezweitling wird die Gemüter noch mehr spalten. Die klassische, knappe & trotzdem extrem geduldige Schauergeschichte, handelt von einer Pflegekraft, die auf eine kranke, senile Schriftstellerin aufpassen soll. Das das alte Landhaus allerdings vor Jahren mal Schauplatz eines brutalen Mords war, erfahren sie & der Zuschauer erst nach & nach. Im besten Fall durch zu Berge stehende Nackenhaare. Im schlechtesten Fall durch zugefallenen Augenlider, denn die Produktion könnte beim ungeduldigen & sehr unerfahrenen Netflix-Stammpublikum kaum falscher aufgehoben sein. Die unfassbar atmosphärische Geistergeschichte fordert extrem viel Geduld, Sinn für Zärtlichkeit im Grusel & ist eine Art einschläfernder Mix aus "Crimson Peak" & "The Innkeepers". Für das heutige Horrorpublikum abstoßender als Schwarz-Weiß-Filme & Untertitel zusammen.
"I Am The Pretty Thing..." ist eine schwerer Film. Atmosphäre wird hier groß geschrieben, getrieben von Melancholie, Leidenschaft & Trauer. Wenn man ruhigen Geistergeschichten verfällt, ist es ein Highlight des Jahres. Wer jedoch mehr Schnelligkeit & Schock braucht, schläft schon nach 10 Minuten. Perkins ist äußerst talentiert & hat ein Händchen für Horror, hat einen faszinierenden, ruhigen & zugleich beunruhigenden Stil gefunden. Perfektioniert ihn nun langsam. Eine Ballade aus der Totenwelt, die traurig, schaurig & zäh zugleich ist. Ich liebe seine Atmosphäre, die Darsteller & das Händchen für Geister, fast literarisch fein, doch ein paar mehr Highlights & Aktionen des Geistes, hätten mir & dem Film so verdammt gut getan. Dabei zeigt das Finale oder eine erste Begegnung mit dem Geist, bei der ein Telefonkabel eine wichtige Rolle spielt, doch so gruselige, einzigartige Ansätze.
Fazit: sehr minimalistische Gothic-Ghost-Story, der ein paar mehr Höhepunkte gut getan hätten. So zumindest eine lehrreiche Übung in dichtester Atmosphäre - Osmond Perkins bleibt ein heißes Eisen im Horrorfeuer!