Review

Review der Staffel 1:

Marvel's Luke Cage ist ein komisches Biest. Komisch insofern, dass hier ein seltsamer Hybrid dargeboten wird, der auf möglichst vielen Hochzeiten tanzen will, sich eigentlich zwischen alle Stühle setzt und auf den Boden plumpsen sollte, dennoch es schafft, mit erhobenem Haupt gute Unterhaltung abzuliefern. Doch eines nach dem Anderen.


Zuerst zur Story:

Luke Cage ist zwar unverletzbar und superstark, ist aber aus irgendeinem nebulösen Grund (der später aufgeklärt werden soll) untergetaucht und arbeitet tagsüber in Harlem als Haarewegfeger (aus Ermangelung eines anderen Wortes) in einem Barber-Shop, und abends als Küchenhilfe in einem Nachtclub, und trotzdem kommt er grad so über die Runden. Durch eine Verkettung von brutalen Umständen wird er immer tiefer in die Gemengelage des organisierten Verbrechens in Harlem hineingezogen und muss sich schließlich entscheiden, ob er Harlems Held sein kann, oder doch nur der Mann, der sich versteckt.


Die Verortung:

Luke Cage lebt in Harlem, spielt in Harlem, und von der Intro an ist ganz klar, dass hier auch ein politisches Statement bzgl. der schwarzen Herkunft gesetzt werden soll. So wird viel Zeit darauf verwendet, den aufrechten schwarzen Mann zu etablieren, der ganz im Stile der 70er Blaxploitation Filme zwar alleine ist, aber nie einsam. Ganz im Stile eines Shaft ist jede Frau scharf auf ihn oder wird irgendwann schwach bei seinem Muskelbepackten Körper. Ín jeder Folge gibt es mindestens ein typisches Musikstück, sei Soul, Jazz, Rap, Blues oder sonstwas. Und immer ein gewisses schwüles etwas, dass einem sagt, hier ist alles auf Black getrimmt. Die einzigen Weissen sind entweder Opfer, korrupte oder gewaltgeile Polizisten, rücksichtslose Ärzte, oder Frauen, die sich über früh oder spät sicher in den guten Luke verlieben werden.


Der Stil:

Nun  ja, wie gesagt, bewußt schwarz. Aber manches mal auch ein bißchen zu viel des Guten. Mehr als einmal wird die Bedeutung von Harlem und der Geschichte des Stadtteils für das schwarze Amerika mit einem Vorschlaghammer präsentiert, es gibt sogar einzelne Szenen, wo alle Welt dem dann Erzählenden dann an den Lippen klebt. Das ist irgendwann vielleicht ein bißchen zu viel anbiedern beim Zielpublikum?

Ansonsten schwankt der Inszenierungsstil sehr stark zwischen erhaben, geerdet und trashig-pulpig. Vor allem letzteres wird dadurch bestärkt, dass im Hintergrund immer ein 70's Blaxploitation-like Soundtrack vor sich hin wimmert, so dass die Musik beispielsweise kaum zur Spannungserzeugung dient, sondern der Stimmungsmache.

 

Geborgte Storyelemente:

Nennen wir sie mal geborgt. Hier haben wir ein riesiges Potpourri an Elementen, die es sowohl in der allgemeinen Popkultur als auch in der Marvel-Popkultur gibt, aber auch biblische archaische Stories werden bedient, so dass wirklich von der Grundstory der typische 70's Reisser entsteht: Frankenstein, Weapon X, Kain und Abel seien mal nur ein paar offensichtliche Beispiele. Vor allem letztgenannter Aspekt, auch wenn er zur Spannungssteigerung enorm beiträgt, ist erstens extrem zufällig gewählt und zweitens ein derart over-the-top-trashiger Twist, dass er fast das ganze Konstrukt der Serie in eine Parodie münden läßt.


Die Darsteller:

Mike Colter hat natürlich eine gewisse Ausstrahlung, die es ihm recht einfach macht, dass man mit ihm fiebert. aber ganz ehrlich, der Mann kann kein bißchen schauspielern, und die Kampfchoreographie ist auch noch so mies, dass er letztendlich sehr oft deplatziert wirkt. In Rückblenden wird ein junger Luke Cage gezeigt (anderer Schauspieler), der deutlich besser zB boxen kann.

Rosario Dawson macht ihre Sache gut, und die beiden schauspielerischen Entdeckungen der Serie sind ganz eindeutig, Cousin Waffenhändler und Cousine Stadträtin.

Ansonsten wirklich nur Nulpen.


Die Gegner:

Sicher der große Böse mag man meinen, aber wer wirklich als Bösewicht überzeugt ist die Stadträtin: Wie ihr Weg von einer von Grautönen durchzeichneten ambivalenten Person zum waschechten Bösewicht ist nicht nur sehenswert, da sehr gut gespielt, sondern auch glaubhaft vermittelt. Sie ist der Grund, warum man der zweiten Staffel, so eine kommt, entgegenfiebern sollte. Fast sogar mehr noch als jeder bisherige Marvel-Bösewicht wird hier ein dreidimensionaler Schurke vom Feinsten gezeichnet, der so gar nicht in das pulpige Gesamtformat der Serie passen will.


Das Ende:

Zwiespältig: Einerseits nimmt Harlem seinen Helden an, andererseits wird daraus wieder ein moralinsaurer Monolog generiert, doch dann kommt ein wirklich elegantes Ende, welches durchaus Apetit auf mehr macht.


Urteil:

Ein schlechter Schauspieler, der ein charaktergetriebenes, auf Rassenfragen ausgerichtetes Superheldendrama anführt, der zudem auch noch schlecht aufgeklebte Haare und Bärte in Rückblenden hat, schlecht geklaute Ideen bei anderen Geschichten (Les Miserables, Kain und Abel, Weapon X, Frankenstein, sogar Watchmen etc.), groovige Musik, und 13 Folgen, die ziemlich viel offen legen und auch für die Zukunft noch Potential bereit stellen.

Also trotz aller problembehafteter Punkte (und jeder Punkt für sich ist schon heftig) doch mehr als nur Guilty Pleasure. Luke Cage gelingt es, aus seinem bewußt pulpig trashigem Material immer wieder auch Qualität zu erzeugen, und trotz Dampfhammerrhetorik gut zu unterhalten:

War lange am Hadern, ob ich 8 Punkte vergeben sollte. Doch es sind knapp 7,5 also nur 7 Punkte.

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