kurz angerissen*
Von einer "Vendetta" kann in dieser freien Verfilmung der Flugzeugkatastrophe von Überlingen (verlegt in die USA, dramatisiert durch mehr Tote) natürlich nicht die Rede sein. Die deutschen Titelgeber fantasieren sich anlässlich der mit Arnold Schwarzenegger besetzten Hauptrolle einen Rachethriller der Marke "Collateral Damage" zusammen, dabei befasst sich das Drama anknüpfend an den wesentlich passenderen Originaltitel "Aftermath" mit den Auswirkungen des Unglücks auf das Leben zweier Menschen und deren Umfeld: eines Mannes, der seine Angehörigen auf dem Flug verlor, sowie des Fluglotsen, der die Katastrophe mitzuverantworten hatte.
Für Schwarzenegger ist das nach "Maggie" noch einmal eine seinem Alter angemessene Rolle, wenngleich er nicht in jeder Phase so sehr überzeugt wie in dem Zombie-Drama von 2015. Gerade, wenn er zu Beginn des Films mit Honigkuchengrinsen und Blumenstrauß bewaffnet die schlechten Nachrichten geradezu herausfordert, lässt das für die notwendigen feinen Nuancen im Hauptakt wenig Gutes erahnen.
Sobald sich die parallel verlaufenden und ein volles Jahr lang niemals kreuzenden Handlungsstränge der beiden Hauptfiguren allerdings eingefädelt haben, entfaltet "Aftermath" seinen Sog. Das liegt nicht zuletzt auch an Schwarzeneggers Konterpart Scoot McNairy, der den Lotsen nach der fatalen Kollision mit allen Facetten des Umgangs mit einem radikalen Tiefschlag ausstattet. Entsetzen, Trauer, Desorientierung, Desillusionierung und Funken von Hoffnung bringt er mit Hilfe seiner Familie (bestehend aus Maggie Grace und Judah Nelson) in eine jederzeit glaubwürdige Form, die sich durch den langen Zeitraum besonders gut entfalten kann und ein komplexes Gesamtbild annimmt.
Dieser Rolle ist es zu verdanken, dass auch Schwarzeneggers stumpfere, tiefer in Klischees versunkene Rolle am Ende ihren Zweck erfüllt. Wo andere Dramen dieser Art nämlich ganz an der Seite des trauernden Familienangehörigen bleiben würden, der von der Fluggesellschaft hingehalten wird, zeigt dieses auch die andere Seite auf und lässt den Wunsch des Trauernden nach Gerechtigkeit mit der Sehnsucht des Verantwortlichen nach einer Rückkehr in sein normales Leben kollidieren. Für den Mann, der jedem Mitarbeiter der Airline das Foto seiner getöteten Familie ins Gesicht hält, bringt man so einerseits Verständnis auf; andererseits hört es dort auf, wo der Eingriff in die Privatsphäre des ohnehin bereits genug gestraften Lotsen beginnt.
Überbordendem Pathos nimmt Javier Gullón somit effektiv den Wind aus den Segeln. Die nüchterne, vernunftgesteuerte Nachbetrachtung lässt "Aftermath" im Nachhinein gelingen, und zwar fast ohne Bilder der eigentlichen Katastrophe auffahren zu müssen, die thematisch verwandte Filme wie "Flight" und "Sully" noch nötig hatten. Geschmälert wird die Wirkung allenfalls noch durch die hollywoodgerechten Übertreibungen der realen Geschehnisse, mit denen die Geschichte letztlich auch auf dem Friedhof ein Jahrzehnt nach den Ereignissen ihr überdramatisiertes Ende findet.
(6.5/10)
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