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Flieg nicht zu hoch, kleiner Barry!

Jedes Jahr gibt es Filme, die, obwohl sie jetzt gar nicht die kleinsten Produktionen sind, zu Jahresbeginn auf keiner Most Wanted-Liste auftauchten und am Ende des Jahres trotzdem in massig Best Of-Listen Platz nehmen. Dieses Jahr wird "Barry Seal - Only In America" eine dieser positiven Überraschungen sein. Ein wilder Genremix, eine stylische Collage von Semi-Biographie, ein weiterer Beweis, dass das Team Liman-Cruise hervorragend harmoniert. Doug Liman ist eh einer der unterschätzteren momentan immer wieder abliefernden Regisseure. In dieser schmissigen Farce auf den amerikanischen Traum, bekommt der Durchschnittspilot im mittleren Alter, Barry Seal, die Möglichkeit verdeckt für die CIA zu fliegen, gleichzeitig mit kolumbianischen Drogenkartellen Geschäfte zu machen und so zu dieser Zeit zu einem der reichsten Männer der USA aufzusteigen... samt Risiken und Nebenwirkungen. Ein Fähnchen im Wind mit dem Leben eines Halbgottes. 

Als erstes fällt einem der 70er-/80er-Retro-Look auf, in den sogar schon die Produzenten Logos getaucht werden. Der Stil des Films erinnert etwas an "The Big Short" und ist wunderbar absichtlich unprofessionell, hektisch und spontan. Solch eine inszenatorische Kreativität und Extravaganz hätte man eher bei einem Soderbergh oder Greengrass gesucht. Liman macht das exzellent und wie von einer cruise'schen Muse geküsst. Wer also auf retrogestrichene Gangsterfilme mit Augenzwinkern und halsbrecherischem Tempo steht, von Scorsese bis "Blow", der hat hier einen der spaßigsten Kinoabende des Jahres. Tom Cruise, der nach dem Mumien-Debakel dieses Jahr etwas gut zu machen hatte, läuft hier zu alter Höchstform auf. Charme, Charisma, Coolness und Starpower schlagen hier geballt von der Leinwand. Endlich ist er wieder in einem Flieger und so rasant wie er seinen Drogenjet fliegt, verfliegen auch die kaum zu glaubenden zwei Stunden. Der Film rauscht an einem nur so vorbei, der Soundtrack lässt den Kopf nicken und die Mundwinkel fallen keine fünf Minuten mal nach unten. Ein Fest aus dem Nichts. Nur eine ernsthafte oder wirklich dramatische oder emotionale Biographie oder Figurenzeichnung sollte keiner erwarten. Dazu ist das alles zu lässig, sarkastisch und cool. Wenn Barry in einer Szene von etlichen US-Behörden gleichzeitig verhaftet wird, dann muss das einfach extrem überhöht und filmisch zugespitzt worden sein. Doch selbst wenn nur 50% der Geschichte so ähnlich stattgefunden hat - besser hätte man es sich trotzdem kaum ausdenken können. Eine unfassbare Story... für sowas ist Uncle Sam immer gut!

Fazit: extrem unterhaltsam, stylisch und leichtfüßig - "Barry Seal" ist ein grandioser Mix aus "Scarface", "Jerry Maguire" und "Wolf of Wall Street". Biopics waren selten lässiger, falls man diese Satire denn so bezeichnen mag. Tom Cruise war lange nicht mehr so klasse! 

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