Die Vorzeichen für Regisseur Colin Trevorrow stehen wahrlich nicht günstig, denn angeblich soll er nicht mehr, wie ursprünglich geplant, die Regie für „Star Wars 9“ übernehmen. Und das, nachdem die Verantwortlichen vorliegenden Streifen sichteten, der an den Kinokassen gnadenlos floppte. Hinsichtlich einer Achterbahn der Gefühle durchaus nachvollziehbar.
Die allein erziehende Mutter Susan (Naomi Watts) kellnert und lässt ihre Finanzbücher von ihrem elfjährigen Sohn Henry (Jaeden Lieberher) managen, der an seiner Schule als Wunderkind gilt. Gemeinsam mit Bruder Peter (Jacob Tremblay) tüftelt er an einer Möglichkeit, den unliebsamen Nachbarn Glenn (Dean Norris) loszuwerden, welcher augenscheinlich seine Stieftochter Christina (Maddie Ziegler) misshandelt. Doch dann kommt alles ganz anders…
Grundvorrausetzung für ein sympathisch erscheinendes Wunderkind ist, es nicht mit einem dauergrinsenden Kevin-Besserwisser-Neunmalklug zu tun zu haben, der einem bereits nach fünf Minuten auf den Zeiger geht. Das funktioniert insofern, als dass unser Henry nicht nur gewitzt und schlagfertig ist, sondern eine enorme emotionale Intelligenz mitbringt. Er hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, ist mutig und selbstlos und für andere da, was die Familie insgesamt sehr charmant erscheinen lässt.
Zumal einige Verhaltensweisen bewusst vertauscht werden, indem Mom zwischendurch blutige Ego-Shooter zockt, während Henry mit Wertpapieren spekuliert. Da das Geschehen fast ausschließlich aus Kindersicht geschildert wird, verliert die Erzählung zuweilen ihre Brisanz bezüglich einzelner Themen wie Kindesmissbrauch. Es gibt zwar deutliche Indizien, jedoch nicht einen Beweis, so dass die Schlussfolgerung von Selbstjustiz äußerst fragwürdig erscheint.
Noch schwerer wiegen diverse Stimmungsschwankungen, denn geht es im ersten Drittel bevorzugt heiter und zuweilen absurd zu, kommt es zu einem Break und es gesellt sich schlagartig eine tragische Komponente hinzu, welche innerhalb dieser Phase mit leiser Situationskomik abgeschwächt werden soll. Ein sprichwörtliches Wechselbad der Gefühle und so erscheinen Elemente eines Thrillers im finalen Akt beinahe schon obligatorisch, - schlichtweg, weil es das Durcheinander noch fahriger erscheinen lässt.
Storytechnisch kommt derweil das Finale arg konstruiert daher, speziell eine längere Tonbandaufnahme ist zu spezifisch auf eigentlich individuelle Komponenten abgestimmt und auch eine Parallelmontage mit Szenen eines Talentwettbewerbs und einem ausgetüftelten Plan behaken sich gegenseitig. Bei alledem schwingt durchaus Kitsch mit, allerdings im erträglichen Rahmen, sofern man große Teile des Geschehens wie ein Fantasyabenteuer betrachtet.
Darstellerisch stimmt die Chemie zwischen den Beteiligten, auf Watts ist ohnehin immer Verlass, doch auch die jungen Darsteller empfehlen sich für weitere Projekte.
Der Score schürt zwar die melodramatische Komponente, doch befinden sich darunter manche schön arrangierte Tracks und einige sensible Klänge, welche gut mit den jeweiligen Inhalten harmonieren.
Die Sache mit Henry ist so ein zweischneidiges Schwert. Zuweilen ecken die konträren Stimmungen gewaltig an, andererseits kann so etwas erfrischend und eigenwillig anmuten, während die sympathischen Figuren trotz einiger unrealistischer Dialoge die volle Breitseite an Sympathie einheimsen. Wer mit Humor, Tragödie und etwas Thrill in einem Atemzug umgehen kann, könnte einen Blick riskieren, denn Emotionalität kann man dem Werk wahrlich nicht absprechen.
6,5 von 10