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In der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 1917 stürmen Bolschewisten das Winterpalais im damaligen Petrograd (heute St. Petersburg), setzen die Provisorische Regierung unter Kerenskji ab, und erklären die Revolution für beendet. Das ist die Historie, und Eisenstein zeigt fast dokumentarisch den Ablauf dieser Tage und Stunden.

Bombastisch, gewaltig, erschlagend … Ich bin völlig geschafft aus dem Kino gekommen, denn Eisenstein gönnt uns hier keine ruhige Minute. Zwei Stunden lang hämmert die Revolution auf uns ein, fährt die Marschmusik stürmisch ins Gebein, und werden uns Parolen und Agitationen um die Ohren gehauen bis man es fast glauben mag. Und auch wenn es ein paar wenige Längen (Atempausen?) gibt (Das Massaker an den Weinflaschen, die Wartezeit bis zum Sturm auf das Winterpalais), so ist der Film vor allem durch seinen Schnitt unglaublich dynamisch und drängt unaufhörlich nach vorne. Heute habe ich gelernt, dass der Stakkatoschnitt keine Erfindung unserer Zeit ist. Und auch habe ich gelernt, dass Sergio Leone die Großaufnahme des Gesichts beileibe nicht erfunden hat, da war Eisenstein schon vorher da. Bei aller Dynamik, und bei allem Sturm und Drang, lässt er sich doch immer wieder Zeit für die Menschen, für einprägsame und wirkungsvolle Gesichter, die er ausgiebig studiert. In Erinnerung bleiben wird mir sicher die Szene, in der eine Gruppe kleiner älterer Herren, alle anscheinend leicht angeschickert, die Provisorische Regierung retten wollen, und von einem Hünen von Matrosen aufgehalten werden. Die Herren werden immer hysterischer und gaggeliger, aber der Matrose schaut einfach nur und sagt „Njet“. Und wie er schaut, und was für ein Gesicht er hat.
Auch die vielen Allegorien sind sehr schön: Wenn Kerenskji in seinen Posen dem gescheiterten Eroberer Napoleon nachempfunden wird, wenn die Reden der Menschewiken durch Gegenschnitte auf singende und musizierende Menschen mit alten Leiern verglichen werden, wenn die Soldatinnen im Winterpalais den Götterstatuen an der Newa entgegengestellt werden, die hier wie da das Alte bewahren wollen – Einfach köstlich. Ich musste bei diesen Bildern öfters lachen, trotz aller Dramatik und Bildgewalt. Aber hinterher muss man erstmal durchschnaufen. Alles sacken lassen. Und dann mal nachlesen wie es wirklich war. Denn die propagandistische Absicht ist natürlich jederzeit erkennbar, und dass gerade der eigentliche Sturm auf das Winterpalais so nie stattgefunden hat ist inzwischen auch bekannt. Aber das macht ja nichts, schließlich ist dies ein Film (heute würde man ihn wohl auf neudeutsch als Mockumentary klassifizieren). Ein anstrengender Film, der einem seine Botschaft aufgebracht ins Gesicht brüllt, aber ein großer Film …

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