Review

Ein Tumor lernt sprechen 

In den letzten Jahren gab es immer mal wieder Tiefflieger im Horrorgenre, die gut bis sehr gut waren, jedoch nie über den Status von Geheimtipps hinauskamen. "Starry Eyes", "Bite", "Honeymoon" oder "Hush" fallen mir da spontan ein. Der relativ neue "Let Her Out" reiht sich da nahtlos ein. Solider Bodyhorror trifft auf Teenager-Angst trifft auf eine Art Besessenheit. Cronenberg auf Carpenter und King. "Rosemarys Baby" und "Lights Out" auf "Brain Damage" und "Die Fliege". Eine junge Frau wird von mysteriösen Erscheinungen und Aussetzern geplagt, bis man ihr im Krankenhaus sagt, dass sie im Mutterleib ihren Zwilling absorbiert hat und dieser nun in ihr gedeiht und scheinbar ihre Gedanken beeinflusst... Körperlich wie psychologisch beginnt nun nicht nur für unsere zweischneidige Heldin eine Tortur - auch wir Zuschauer leiden ganz schön mit. Im positiven Schauer-Über-Den-Rücken-Sinn!

"Let Her Out" ist mehr als solide und unterhält tadellos. Er hat durchaus Härten (gerade für FSK 16), endet sogar in einem wortwörtlichen Blutbad. Zudem setzt er auf einen gekonnten Mix aus okkulter Atmosphäre und effektiven Jump Scares. Als Hauptdarstellerin hat man sich eine ganz Feine geschnappt, die beide Seiten ihres "Charakters" bravurös darstellt. Zudem erfreuen der mittlerweile fast zum Standardrepertoir gehörende Retro-Soundtrack, gelungene handgemachte Gore-Effekte und eine straighte Art, die direkt zum Punkt kommt und nichts hinterm Zaun hält. Etwas mehr hätte man gerne über die Hauptfigur ebenso wie ihre beste Freundin erfahren, gerade weil deren Freundschaft & Beziehung das letzte Viertel dominieren, doch unsympathisch wird keine der beiden. Zumindest die gute Seite. Warum man, als der Alptraum immer akuter wird, nicht nochmal ins Krankenhaus geht, bleibt ein Rätsel, das wie so oft bei Horrorfilmen, auf Grund von Spassreduktion, eher nicht länger beleuchtet werden sollte. Ich kann "Let Her Out" nur jedem empfehlen, wer auf härteren Bodyhorror steht. Muss man vielleicht nicht mehrmals sehen oder besitzen, doch einmaliges Schauen kann man kaum bereuen. Ein Midnight Movie mit Schmackes, Doppelgesicht und viel rotem Lebenssaft. 

Fazit: Bodyhorror trifft Besessenheit. Schick trifft Schock. Ein kleiner Geheimtipp, der keines seiner Themen neu erfindet, jedoch stark nach vorne geht und jedem Genrefan ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert. Blutig und sexy! Wer viele Horrorfilme guckt, erkennt schlechte dieser Gattung - "Let Her Out" ist weit davon entfernt! Teilweise werden sogar wunderbare Erinnerungen an "3 Women" oder "Neon Demon" wach - bis dann spätestens im Finale Unsicherheit und Empathie der puren Hölle weichen! 

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