Animalisch ist das Wort, das mir zu Perdita Durango einfällt. Álex de la Iglesia lässt in diesem Roadmovie ein Pärchen auf das US-mexikanische Grenzland los, das keine Zurückhaltung kennt. Perdita Durango und Romeo Dolorosa entschließen alles spontan. Lange Planung ist nicht ihre Sache: Als sie sich zum ersten Mal treffen, dauert es nicht lange, bis sie im Bett landen und von dort an ein wildes Herz und eine schwarze Seele sind.
Romeo verdient sich ein wenig Extrageld hinzu, indem er für sensationsgeile Touristen eine Voodooshow abzieht (Screamin' Jay Hawkins als Nebenfigur voll in seinem Element), bei der er auch gleich eine Leiche zerhackt und ihr das Herz herausreißt. Er kontrolliert das Tier in sich nicht, sondern lässt es frei; die Zuschauer sehen so aus, als würden sie es ihm gerne gleichtun, seien aber zu feige. Perdita selbst steht auf der Schwelle. In der traumhaften Einstiegsszene des Films sieht sie sich Auge in Auge mit einem Jaguar: Lässt sie sich von dem Tier verschlingen oder bleibt sie Mensch?
Zuerst sieht's stark nach Tier aus. Sie bekommt nämlich die großartige und abenteuerliche Idee, ein paar Gringos zu kidnappen, um sie zu opfern und aufzuessen. Das wär' doch was! Denkt sich auch Romeo. Gesagt, getan. Bald fahren sie durch die Wüste, ein verängstigtes Teeniepärchen auf dem Rücksitz, das jedes US-Vorstadt-Klischee erfüllt, und überlegen sich, wer von beiden geopfert werden soll. Doch natürlich kommt alles ganz anders als geplant (wir erinnern uns: Spontaneität ist sowieso das Beste) und eine interessante Beziehung entspannt sich zwischen den vier Personen. Das Animalische von Romeo und Perdita färbt allmählich auf die beiden Teens ab und verändert sie. Ihr Selbstbewusstsein wächst, es scheint klar: Jeder von uns braucht das Tier in sich, muss es ab und zu von der Leine lassen, denn man kann sich ja nicht immer kontollieren. Oder so.
Allzu viel Zeit zum Reflektieren über die Personenkonstellationen bleibt nämlich nicht. Zwischen Cops, Gangstern und tiefgefrorenen Embryos kann man schon mal die Übersicht verlieren. Auch fieberhafte Traumsequenzen und Erinnerungen plagen das tödliche Pärchen. Doch es lässt sich nicht beirren und geht seinen Weg. Durch die Wüste und schlafende Kaffs, über einen Flugzeugfriedhof und den glühenden Asphalt führt die Reise, bis es schließlich in Las Vegas zur dramatischen Endszene kommt, in der die Entscheidung fällt: Tier oder Mensch? Was bist du?
Javier Bardem und Rosie Perez spielen die beiden Unberechenbaren intensiv und glaubwürdig. Die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ist latent spürbar und ähnelt nicht von ungefähr der Atmosphäre in einem gewissen anderen Roadmovie mit einem gewissen anderen mörderischen Pärchen. Die Action fehlt dabei nie, ist blutig, hart und böse. Vergewaltigung, Verstümmelung und Menschenverachtung lassen die Frage aufkommen, warum dieser Film im sonst so zensurwütigen Deutschland ungekürzt und unindiziert geblieben ist. Die Briten haben da weniger Glück gehabt. Freuen wir uns, denn so können wir ein rundum gelungenes Werk betrachten, das aber zu kantig ist, als das man sich einfach entspannt zurücklehnen könnte. Schön fies und hinterhältig intelligent!