Viereck der unangenehmen Wahrheiten
Eine Inhaltsangabe zu "The Square" zu geben, ist so aufschlussreich und vorbereitend wie eine Audienz bei einem stummen Papst. Ruben Östlunds Kunst- und Gesellschaftssatire ist mit Wenig zu vergleichen. Man muss das zugleich sperrige wie leichtfüßige Werk sehen, fühlen, genießen, wirken lassen. Am besten in einem vollen Kino, da wenige Filme dieses Jahr eine so starke Zuschauerreaktion hervorrufen. Ein scharfzüngiger Affront gegen die humane Isolation, Unmenschlichkeit, Verdrängung und Abschottung. Eine hallende Backpfeife gegen die versnobte Kunstelite, die zugleich seine größte Zielgruppe ist. Es geht um einen arroganten und recht scheinheiligen aber nie zu extrem dargestellten Museumsdirektor, dessen neues Ausstellungsprojekt, The Square, auf Missstände in der Gesellschaft und in unser aller Denken aufmerksam machen will. Zeitgleich wird der scheinbar so liberale und offene Vertreter der schwedischen Oberschicht in seinem Privatleben vor menschliche und verzwickte Herausforderungen gestellt...
"The Square" ist gut eine halbe Stunde zu lang und dem letzten Drittel kommt sein Drive und Biss etwas abhanden, dort erklärt und rechtfertigt er sich auch eindeutig zu viel selbst. Was jedoch ebenfalls ein überhöhter und beabsichtigter Kniff sein könnte. Doch bis dahin ist er nahezu perfekt. Trockenster Humor, herausragende Darsteller, urkomische Situationen, ein feiner Soundtrackmix und besonders eine vor allem Anderen stehende Gabe des Regisseurs: die des Beobachten und Darstellen von beobachteten, reagierenden Leuten. Ein Film der Blicke und Ängste, Vorurteile und des Misstrauen. Ein Spiegelbild, nicht nur der oberen Zehntausend. Manchmal bleibt einem gar das Lachen im Hals stecken. Kommt drauf an wie düster man selbst und sein Humor aufgelegt ist. Eine gesellschaftliche Schere, doch massig Fragen zur uns alle einenden Menschlichkeit. Oder dem Fehlen dieser. Und die Bankett-Affenmann-Szene ist nicht nur im Arthousezirkus ein Höhepunkt des Kinojahres. Ich würde mich massiv wundern, wenn "The Square" nächstes Frühjahr keine Rolle im Rennen um den Auslandsoscar spielen würde.
Fazit: Sozialkritik zum Quadrat - witzig, einzigartig, intensiv. Nur etwas ausufernd und hintenraus ein unnötiger Erklärbär. Trotzdem ein vielseitiges Werk und Arthouse-Schmankerl nah am Zeitgeist und mit Diskussionspotenzial. Bleibt in Erinnerung!