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Gardner Lodge (Matt Damon) lebt mit seiner Frau Rose (Julianne Moore), die im Rollstuhl sitzt, seiner Schwägerin Margaret (als Zwillingsschwester auch Julianne Moore) und seinem Sohn Nicky in einem Vorort aus dem Bilderbuch der ausgehenden 1950er Jahre. Doch vor der Tür ereignet sich Ungeheuerliches: Eine schwarze Familie zieht nebenan ein. Nach anfänglicher Katalepsie formiert sich Widerstand gegen die neuen Nachbarn, der bald ausartet zu einer wahren Belagerung des Domizils der Afro-Amerikaner. Die allerdings schenken der auf sie abzielenden Aggression stoisch keine Beachtung und versuchen, die Situation auszusitzen. Doch die Tumulte in der Nachbarschaft sind (offenbar) nur der Hintergrund für eine Tragödie ganz anderer Art. Zwei Einbrecher dringen ins Haus der Lodges ein und narkotisieren die gesamte Familie. Als alle wieder zu sich kommen, ist Rose an einer Überdosis Chloroform verstorben. Margaret übernimmt nun zusammen mit Gardner den Haushalt. Und während nebenan Tag und Nacht Radau ist, kommt immer mehr Licht ins Dunkel des in der Folge sehr sonderbaren Betragens des Witwers - der in noch viel größeren Schwierigkeiten steckt als man ohnehin schon meinen sollte.

George Clooney verfilmt ein Drehbuch, das er in Zusammenarbeit mit den Coen-Brüdern verfasst hat. Das hat natürlich potentiell Potential. Und weckt Erwartung. Und dann das: 29% Prozent bei den Rotten Tomatoes. 42 von 100 bei den Metakritikern. Der Film scheint nicht anzukommen. Zu disharmonisch, was die Story insgesamt angeht, seien die Probleme der Schwarzen in der Nachbarschaft in Kombination mit dem Familieninferno Matt Damons. Falsch platziert und aus der Balance seien Clooneys politische Ambitionen. Zu unscharf der Fokus insgesamt. Und zu repetitiv solch eine Geschichte angesichts der bisherigen Geschichte der Coens. Dieser letzte Kritikpunkt übrigens - ist von allen der einzige, der womöglich berechtigt ist.

George Clooney erzählt zwei Storys. Die eine ist seine. Die andere die der Coens. Beide haben in der Tat thematisch nichts miteinander zu tun. Soso! Na und? Das damit nicht nur in Punkto Hautfarben, sondern auch in Sachen Inhalt schwarz-weiß kontrastierte Stück fällt nämlich nur auf den ersten Blick gedanklich aus dem Rahmen. Und das muss es beinahe zwingend tun. Ansonsten stünde gewissermaßen nur „Fargo-Reloaded" auf dem Programm. Und genau das will doch keiner. Das von Clooney zentral untergebrachte Thema Rassismus mag sich auf den flüchtigen Blick beißen mit den hausgemachten, (mikro)ko(s)mischen Problemen der Familie Lodge. Doch ist die Entscheidung des politischen Filmemachers, Intoleranz und Egozentrik nicht nur als Beiwerk zu verwenden, sondern sie dem moralisch defekten Handeln eines archetypischen Vertreters des amerikanischen Mittelstands analog an die Seite zu stellen, irgendwo plausibel. Wenn auch ungewöhnlich. Natürlich muss man das nicht gut finden. Denn es ist weder differenziert, noch subtil, was Clooney da macht. Aber es passt ins Bild, was seine generelle Zielsetzung angeht. Und die entpuppt sich unschwer zu dechiffrieren als Abrechnung mit der weißen Nachkriegsgesellschaft in ihrer Gesamtheit.

Die Figuren dieses Stücks nehmen einmal mehr ihr Schicksal als menschliche Kuriositäten auf eine Weise ernst, die amüsiert. Die nicht nur zum Schmunzeln, sondern zum Lachen einlädt. Ganz so, wie man das von den Brüdern, die so gern auf verschrobene Situationen und todernsten Humor setzen, gewohnt ist. Wenn sich ein Killer, nachdem sein Auto den Geist aufgegeben hat, auf einem Kinderrad vom Tatort (t)rollt, dann ist das eben typisch Coens. Ein Spielberg kann das nicht. Und selbst ein Tarantino täte das nicht. Sicher, ein bisschen bestimmter ist der Ton hier streckenweise schon. Denn das Motiv „Rassismus" als Teil der Geschichte der Vereinigten Staaten verlangt inszenatorische Behutsamkeit. Welcher von George Clooney am anderen Ende allerdings wenig Beachtung geschenkt wird. Es ist nämlich Verschwendung, dass er seine Schwarzen sozusagen als Über-Menschen entwirft. Als kitschige Vorzeigefiguren und damit demonstrativen Gegensatz zur durchwegs amoralischen angelsächsischen Nachbarschaft. Wahre Begebenheiten hin, politische Animositäten her. Das hier gezeichnete Schwarz-Weiß nimmt dem (berechtigten) Anliegen die Seriosität und beraubt es damit seiner pädagogischen Möglichkeiten.

Auf vertraute Weise fällt es schwer, unter den Coen-schen Hauptfiguren irgendwelche Sympathieträger auszumachen, die zur Identifikation einladen. Die schwarzen Nachbarn sind moralisch unerreichbar, der Junge ist zu klein, und alle anderen sind zu verkommen. Wenn das jedoch keine Umstände macht, dann gibt es keinen Grund, sich nicht auch an diesem Skript der kultigen Brüder zu delektieren, das von Clooney immerhin gekonnt und kurzweilig umgesetzt wird. Wären es übrigens vier Parallelhandlungen gewesen, die sich die schrägen Geschichtenerzähler da hätten einfallen lassen, wäre das Konzept vermutlich feuilletonistisch durchgewinkt und weniger angegangen worden. Doch hier sind es nur zwei Hergänge, die beinahe paritätisch nebeneinander gestellt werden. Und das stößt auf Unverständnis. Die Idee, dass ein solch unkonventioneller Ansatz Lob verdient, scheint offenbar weit hergeholt. Dabei ist es doch gerade so, dass die zu Recht kritisierte Eindimensionalität des politischen Subtexts durch einen unorthodoxen Duktus aufgelockert und kaschiert wird. Einer Handschrift, die Zeilen nicht beachtet. Die mit Schreibregeln bricht. Und bei aller Liebe, genau das ist der Job der Coens.

„Suburbicon" gerät zum Streitfall unter den feuilletonistisch interessierten Filmfans. Was für den einen unausgegoren wirkt, dünkt dem anderen originell. Was hier nur ein Plagiat ist, kommt dort an als Produkt mit Wiederkennungswert. Unter dem Strich bleibt sicherlich für alle jedenfalls, dass die thugs der Geschichte so wundervoll ihr Ding machen, dass sie sehenswert sind. „Es ist die Aufgabe der Kunst, die Menschen zu spalten", sagte vor vier Jahren ein sich auf der Berlinale zu Wort meldender Regisseur. Und wenigstens für die, für die solche Worte kein Allgemeinplatz sind, müsste Clooneys aktueller Film, aller inhaltlichen Diskussion zum Trotz, eigentlich Potential haben.

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