Es war einmal ein Märchen: "Die drei Wünsche", Mitte des 19. Jahrhunderts von Friedrich Heinrich von der Hagen niedergeschrieben, wenig später von Ludwig Bechstein im "Neuen Deutschen Märchenbuch" (1856) aufgenommen.
Dass man seine Wünsche sorgsam reflektieren sollte, davon handelten die Märchen schon früher – etwa Philipp Otto Runges "Von dem Fischer un syner Fru", das die Grimms im ersten Band der "Kinder- und Hausmärchen" (1812) herausgaben. Und davon handelten auch später noch viele Kunstmärchen: etwa Richard Leanders "Der Wunschring" (1870), in welchem ein diebischer Goldschmied von dem ersehnten, gewünschten Geldregen blutig zuschanden geschlagen wird.
Aber es war das Märchen der drei Wünsche, das später die phantastischen und unheimlichen Werke in Literatur und Film heimsuchen sollte. Den wichtigsten Markstein auf diesem langen Weg stellte William Wymark Jacobs' Erzählung "The Monkey's Paw" (1902) dar: Ein Ehepaar wünscht sich dort mit der Hilfe einer geheimnisvollen Affenpfote, einem unheilvollen Glücksbringer, einen Geldsegen. Wenig später stirbt der Sohn, dessen Lebensversicherung an die Eltern ausgezahlt wird. Gramvoll wünscht sich die Frau den toten Sohn zurück. In finsterer Unwetternacht rüttelt es an der Haustür. Voller Sorge, der Sohn könnte als lebender Leichnam seinem Grab entstiegen sein, braucht der Vater den letzten Wunsch auf, um den Wunsch der Frau rückgängig zu machen. Das Rütteln an der Tür hört auf – und für das Ehepaar (und die Leserschaft) bleibt es offen, ob einfach bloß unheimliche Zufälle oder aber die titelgebende Affenpfote samt übernatürlichen Wundern (und Rückkehr des toten Sohnes) für die Ereignisse verantwortlich waren.
Einfluss hatte die Geschichte ganz enorm auf das Horrorgenre: Freie und vorlagengetreue Verfilmungen gibt es (als Kurzfilm, als Langfilm, als Serien-Folge) zuhauf und Stephen King verwies mit "Pet Sematary" (1983) deutlich auf Jacobs, den er auch sonst mehrfach explizit in seinen Werken erwähnte und so den Ruf dieser Erzählung stärkte und festigte. Ohne Jacobs' kurze Erzählung wäre die vierteilige Wishmaster-Reihe (1997-2002) vermutlich nie entstanden, die das makabere Wunscherfüllungsthema wieder sehr populär werden ließ.
Gemeinsam mit der titelgebenden Schmetterlingseffekt-Theorie und Frank Capras Weihnachts-Klassiker "It's a Wonderful Life" (1946) – in welchem der Wunsch, nie geboren worden zu sein, dazu führt, dass die Hauptfigur eine alternative, wesentlich unerquicklichere Realität erlebt – beeinflusste Jacobs' Erzählung Eric Bress' und J. Mackye Grubers Teenie-Fantasy-/Mystery-/SciFi-Mix "The Butterfly Effect" (2004). Ein Film, der – vier Dekaden nach den meisterlichen Film-Marksteinen zur Virtualität von Alain Resnais und Alain Robbe-Grillet – nicht einmal ansatzweise so originell war, wie es ein vornehmlich junges Publikum vermutete, der aber als Neuauflage des alten Wunsch-Stoffes genau den Nerv der Zeit beim jugendlichen Publikum traf (wie es damals wohl bloß noch "Donnie Darko" (2001) vergönnt war). (Die relevanteren Beiträge in bester Resnais-/Robbe-Grillet-Tradition drehte damals freilich David Lynch.)
Vergleichsweise wenig Zustimmung, dafür jede Menge Ablehnung löste dann das Mittelstück der zur losen Trilogie ausgeweiteten Butterfly Effect-Reihe aus: John Leonettis "The Butterfly Effect 2" (2006) konnte bei Kritik & Publikum kaum punkten.
Nun hat sich Insidious- und Conjuring-Kameramann Leonetti mit "Annabelle" (2014) und "Wolves at the Door" (2016) nach acht Jahren Regie-Pause wieder an das Genre gewagt – und zuletzt erneut Butterfly Effect-Pfade beschritten und dabei ausdrücklich ein Teenie-Publikum anvisiert: "Wish Upon", vor allem besetzt mit um 2000 geborenen Jungstars, lässt seine jungen Hauptfiguren Clare und Ryan einander näherkommen, indem er sie feststellen lässt, dass sie beide ein großes Interesse an Paralleluniversen-Theorien haben. Das bleibt anfangs ein allenfalls selbstironisches Element, denn zunächst versucht sich der Film kein Stückchen an diesen Paralleluniversen-Stoffen, sondern konzentriert sich [Achtung: Spoiler!] auf bewährte Monkey's Paw-Elemente: Hier gibt es jedoch keine Pfote, sondern eine chinesische Schatulle. (Auch das hat Tradition: Exotische Chinesen umgab in der europäischen & nordamerikanischen Phantastik stets ein Flair des Fremden, des Geheimnisvollen, des Übernatürlichen und Wundersamen: Von Willy Seidel und Abraham Merritt über George Pals "7 Faces of Dr. Lao" (1964) und Joe Dantes "Gremlins" (1984) lässt sich das bis in die Gegenwart beobachten.)
Doch diese Schatulle erfüllt dem Besitzer nicht nur sieben Wünsche – wobei die Sieben auf alte Märchenvorbilder zurückverweist –, sondern fordert im Gegenzug auch noch ein Blutopfer (was Clare erst versteht, als die altchinesischen Schriftzeichen entziffert sind). Wünscht sich Clare, dass die verhasste, mobbende Bitch aus der Highschool verrotten möge, entwickelt sich bei dieser nicht bloß über Nacht eine enorm vorangeschrittene Nekrose, sondern es muss auch Clares eigener Hund sein Leben lassen. Der nächste Wunsch kostet den wohlhabenden Onkel das Leben, zu dessen Alleinerbin sich Clare mit einem dritten Wunsch macht, da ihr das ärmliche Dasein mit einem Schrott sammelnden, Müll durchwühlenden Vater zuwider ist.
Erst gegen Ende – als Clare nicht bloß erfahren hat, dass die dämonische Macht in der Schatulle nach der Erfüllung von sieben Wünschen die Seele des Besitzers an sich reißt, sondern auch noch feststellen muss, dass ihre bisherigen Wünsche ihr keine Erfüllung gebracht, sondern sie vielmehr von ihrem alten Freundeskreis entzweit haben – greift Leonetti wieder den Paralleluniversen-Stoff auf: Clare wünscht sich, dass ihre früh durch Suizid verschiedene Mutter noch leben würde. Und kurz darauf ist alles so, als hätte sich ihre Mutter nie das Leben genommen. Doch als Nebenwirkung verliert sie in dieser neuen Realität ihren Vater: er erbringt mit seinem Unfalltod nicht bloß das nötige Blutopfer, sondern verstirbt gar erst aufgrund von Clares Versuch, ihn zu warnen. Überdeutlich lässt das Drehbuch Clare hier als Schuldige erscheinen.
Und auch der letzte Wunsch – der in vager Nähe zu Capras Weihnachtsfilm darauf abzielt, dass all das nicht geschehen wäre (was in der Wishmaster-Reihe mehr oder weniger die Lösung aller Probleme war) – katapultiert sie in eine alternative Realität: zurück zu jenem Moment, an welchem ihr Vater die Schatulle im Müll überhaupt erst gefunden hat. Clare versucht nun, der Schatulle ein Schnippchen zu schlagen und sie von Ryan – den sie erneut über eine kurze Paralleluniversen-Diskussion für sich vereinnahmt – entsorgen zu lassen, ohne nochmals ihre Besitzerin zu werden. Das mag vielleicht ihr Seelenheil gerettet haben, doch muss sie wegen des ausstehenden Blutopfers noch einen Unfalltod erleiden: Sie läuft genau jener Mitschülerin vors Auto, der sie in der früheren Realitätsebene die Nekrose verschafft hatte (und die Clare schon kurz nach dem Prolog beinahe angefahren hätte). Sowas kommt von sowas! (Und ihr Freund Ryan wird nun in dieser neuen Realitätsebene und womöglich in einem Sequel seinerseits Erfahrungen mit der wunscherfüllenden, chinesischen Schatulle machen dürfen.)
Es ist – wie schon bei den Märchen – ein reichlich moralisierender Stoff, der in "Wish Upon" dargeboten wird. Diesem Aspekt widmet der Film immerhin weit mehr Aufmerksamkeit, als die Wishmaster-Reihe ihm 15, 20 Jahre zuvor zuteil werden ließ: Hier geht es inmitten eines Teenie-Milieus voller Mobbing ausdrücklich darum, egoistische Begierden nicht ungestraft ausleben zu können. Alles wird hier bestraft: Wie die Fischersfrau sitzt Clare hier im letzten Drittel – allerdings erst, nachdem sie gelernt hat, dass bloße Güter nicht glücklich machen und erzwungene Liebe keine wahre Liebe ist! – quasi wieder in ihrem Pissputt. Zwar hangelt sich der Film mit den sieben Wünschen nicht unbedingt an den sieben Todsünden entlang, lässt aber Eitelkeit, Neid, Geiz, Jähzorn und Hochmut (und ansatzweise vielleicht auch noch die Wollust) als gravierende Sünden erscheinen. Das mag man ausgesprochen fromm oder ziemlich konservativ/reaktionär finden: In jedem Fall verfolgt der Film, der sich so extrem beim Teenie-Publikum anbiedert, reichlich erwachsene, pädagogische Ziele. Darin ähnelt er dem Märchen mehr, als es den heranwachsenden Genrefans lieb sein konnte.
Ein mittelmäßiger Film ist "Wish Upon" aber weniger, weil er PG-13-gemäß seine Gräuel in Grenzen hält und gleichzeitig pädagogisch darauf bedacht ist, seine Moralvorstellungen deutlich, aber nicht allzu offensichtlich zu vermitteln, sondern es handelt sich vor allem deswegen um einen mittelmäßigen Film, weil sein Drehbuch – das immerhin 2015 auf der Black List gelandet war – bekannte Versatzstücke doch sehr undurchdacht zusammensetzt.
Bei Barbara Marshall wünscht man sich nicht ein Vermögen, um dann die Lebensversicherungs-Zahlung eines nahestehenden Verwandten zu kassieren, sondern man verliert besagten Verwandten als Blutopfer für einen gänzlich anderen Wunsch, um sich dann aber nach der Nachricht des Todes zu wünschen, Alleinerbe (bzw. Alleinerbin) zu sein. Der makabere Witz von Jacobs phantastischer Erzählung in bewusst gewählter Märchen-Tradition geht Marshalls Drehbuch völlig ab. Nicht das Gewünschte wird einem zum Verhängnis, wie in der Wishmaster-Reihe, in der einem die Wunscherfüllung selbst zum Verhängnis wird, sondern das Wünschen wird einem zum Verhängnis, weil Blutopfer damit einhergehen müssen. Und als wäre das nicht schon unoriginell genug, wird über die Wünsche, dass dieses oder jenes anders gelaufen sein möge, das Spiel mit alternativen Realitäten hinzugeholt, das es John Leonetti erlaubt, selbstironisch mit seinen "The Butterfly Effect 2"-Erfahrungen zu hantieren. Dieses Spiel beschränkt sich auch nicht auf die Pointe am Ende, sondern füllt große Teile des Endes aus und lässt vermuten, dass der doch sehr stiefmütterlich behandelte Aspekt des Suizids der Mutter nur deshalb vorhanden war, um schon mit dem vorletzten Wunsch in alternative Realitäten flüchten zu können. Das Resultat ist ein nicht sehr kunstvoll angerührter Brei, aus welchem nicht einmal die originellen Todesarten in der Tradition der Omen- oder Final Destination-Reihen erwähnenswert hervorstechen.
Unausgegoren zusammengebastelte, altbekannte Versatzstücke und dramaturgische Ungeschicklichkeiten (im Hinblick auf die früh eingeführte, dann aber nicht so recht verfolgte Familientragödie) machen aus "Wish Upon" einen mittelmäßigen Horrorfilm, der bloß durch handwerkliche Solidität noch halbwegs zu punkten vermag. Angesiedelt in einem Umfeld, in welchem zwischen "Bedeviled" (2016) und "Truth or Dare" (2018) junge Teenager zuhauf mit fluchbeladenen Spielereien zu ringen haben[1]: Stangenware für ein filmhistorisch (noch) nicht versiertes Teenie-Publikum.
5,5/10
1.) Das wäre ein weiteres Klischee in "Wish Upon": Das verfluchte, geheimnisvolle Objekt (oder Ritual), dessen meist scherzhafte Verwendung (oder Durchführung) einen hohen Preis bedingt. Das betrifft neben den wundertätigen, wunscherfüllenden Kleinoden (Zauberlampen, Wunschringen etc.) in bester Jumanji-Tradition die verfluchten (Brett-)Spiele, die in "Ghost Game" (2004), "The Black Waters of Echo's Pond" (2009), "Open Graves" (2009) – wo es auch um die Wunsch-Thematik geht – oder "Game of Death" (2017) gespielt werden, die Ouija-Bretter, die nicht erst in "Ouija" (2014) oder "Ouija: Origin of Evil" (2016) zum Einsatz kommen, die Beschwörungsformeln, die etwa in Bloody Mary- oder Candyman-Filmen dahergesagt werden, die Videobänder, die in den Ring- oder Sinister-Reihen gesichtet werden, die Tonbänder, die etwa in "The Evil Dead" (1981) abgespielt werden, (und das Necronomicon mit seinen Formeln in den Sequels,) die Telefonnummer, die in "976-EVIL" (1988) gewählt wird, die geheimnisvollen Kistchen wie z.B. die Dibbuk-Box in "The Possession" (2012) oder auch verzierte Würfel wie in "Hellraiser" (1987) samt Sequels. In der jüngsten Zeit wird das Gros dieser Filme – die wiederum einen Großteil des Horrorfilms ausmachen – zunehmend von Teenagern getragen, deren ungebremster, kindischer Spieltrieb sie meist erst dazu anstiftet, solch verhängnisvolle Spielereien überhaupt erst durchzuführen. (Weshalb eine Vielzahl dieser Filme etwas ausgesprochen Lustfeindliches besitzt...)
Angewiesen ist der Wunscherfüllungshorrorfilm nahezu immer auf derartig übernatürliche Objekte (oder Rituale). Selbst in phantastischen Komödiengefilden ist das nicht anders, wenn man an den Jahrsmarktsautomaten aus Penny Marshalls Tom Hanks-Komödie "Big" (1988) oder die (schon wieder: chinesischen) Glückskekse aus "Freaky Friday" (2003) denkt.