Film Noir und Nordafrika, wieso es diese Kombination nicht häufiger gibt, ist die eigentliche Frage dieses Reviews, denn beides ist alleine auf Grund der Ursprünge dieses Subgenres fast schon füreinander bestimmt. Man denke nur an den Klassiker Pepe, le Moko. Und a propos Moko, wie würde so eine Subgenre im Subgenre denn dann heissen? Man denke nur, italienische Western hiessen Spaghetti Western, koreanische gingen unter dem Namen Kimchi Western, Exploitation aus der Türkei hiess Turxploitation und in den USA gab es noch die Blaxploitation Welle. Ein nordafrikanisches Sub-Genre des Film Noir könnte daher Mokka Noir, Film Mokka oder Falafel Noir heissen. Wer weiss schon, was sich durchsetzt? Ob überhaupt?Die Nile Hilton Affäre erzählt die Geschichte eines korrupten Polizisten, der im Vorfeld des Arabischen Frühlings einen Mord an einer Sängerin untersuchen soll. Der Hauptverdächtige ist ein Mann mit Beziehungen bis ganz nach oben.Prinzipiell versucht sich Die Nile Hilton Affäre an mehreren Genres gleichzeitig, denn die eigentliche Kriminalgeschichte im Stile eines Who-Dunnit ist hier nie gegeben. Es wird eher versucht eine Bestandsaufnahme einer Gesellschaft zu betreiben, die sich im Umbruch wähnt. Der letzte Nebensatz ist das eigentlich Wichtige. Je mehr sich anscheinend zu ändern scheint, desto deutlicher wird doch, dass diejenigen mit Macht auch irgendwo diese konservieren werden. Die einfachen Leute sind nur Spielball.
Und hier setzt der zweite Aspekt an, denn auch wenn es vielleicht nicht so wirken mag auf den ersten Blick, ein jeder ist gläsern und wird totalüberwacht. Das erinnert an die totalitären Regimes (auch diejenigen unter dem Deckmantel der sogenannten Demokratie - das kommt ja anscheinend immer auf die Sichtweise an) der letzten Jahrzehnte, aber auch an Dystopien in literarischen Schwergewichten. Der Geheimdienst weiss immer alles über jeden.
Doch da hört der Film nicht auf, im Stile einer Verfilmung aus der Zeit des Neo Realismus zeigt er gleichzeitig die allgemeine Verrohung der Menschen auf, die um für ein bißchen höher auf der Hackstufe zu stehen, ihre Freunde lächelnd foltern würden. Das ist eine konsequente Fortführung des nach dem italienischen Prinzip im Anschluss an den 2. Weltkrieg etablierten und in den 1960-1970ern im Mittelmeerraum (jeglicher Religion) populär gewordenen Realismus, der schmerzhaft realistisch die Zustände widergibt, ohne anzuprangern - was den Effekt natürlich dadurch nur noch vergrößert.Und dann ist da noch der Falafel Noir Plot mit dem gebrochenen Helden, der eine unglückliche Beziehung hinter sich hat, und zwei Frauen, die sein Leben verändern werden.Dass hier mit Fares Fares ein international bekannter(er) Darsteller die Hauptrolle inne hat, tut dem Film in der Hinsicht gut, dass er dadurch tatsächlich die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient. Leider ist dies aber auch Segen und Fluch gleichermassen, denn Fares mag zwar Charisma ohne Ende haben, aber ohne den richtigen Regisseur, der ihn führt, ist er über weite Strecken auf sich alleine gestellt und es gelingt ihm nicht immer zu überzeugen. Wie gesagt, das macht er weitestgehend mit seinem Charisma wett, aber er hat schon deutlich besser gespielt. Dennoch, man muss aber auch ganz klar attestieren, dass das Schauspiel der schieren Masse an Themen, die hier angesprochen werden, eher untergeordnet ist.Alles in allem ist der Film grundsolide und reiht sich in die Reihe der sehenswerten Filme aus dem Raum Nordafrika, Türkei, Iran ein, die nicht bloß Propaganda für ein herrschendes System sind, sondern den Finger in die Wunde legen, aber natürlich keinen Lösungsansatz liefern können - auch das ein Markenzeichen eines guten Film Noir. Er steckt solche Perlen wie Nader und Simin locker in die Tasche, und auch solche "Aufbruchsstimmungsfilme" wie Explosion auf Kuba können Die Hilton Affäre nicht das Wasser reichen. Dass es sich nicht tatsächlich um einen ägyptischen Film handelt, sieht man dem Film in keiner Sekunde an, so dass er für mich, auch wenn er ein europäischer Film sein soll, ganz klar ein nordafrikanischer Vertreter ist!
Und dann hat der Film trotz der pessimistischen Grundhaltung durch den gesamten Film hindurch doch noch eine letzte Einstellung, die anscheinend doch noch hofft. Umsonst, wie sich im Nachhinein herausstellte, aber dennoch, auch so etwas zeichnet einen überdurchschnittlichen Film aus.Wenn es jetzt darum geht, diesen Film zu bewerten:Eigentlich verbietet die ganze Inszenierung eine sehr gute Bewertung, da doch deutliche Defizite zu extrem professionellem zeitgemäßem Filmemachen vorliegen. Andererseits kann man sagen, dass die ganze Inszenierung dadurch authentischer wirkt, vor allem die ständig im Hintergrund wabernde Sounddecke. Auch wenn ich eher zu 6-7 Punkten tendiere, auch mit Blick auf die nichtexistente Krimistory, so ist der Film doch als Sittenbild überragend.Was soll's: 8 Punkte (wahrscheinlich zu hoch gegriffen, aber alles andere fände ich irgendwie nicht gerechtfertigt)