Neues aus der Endzeit (1)
THE DOMESTICS
(THE DOMESTICS)
Mike P. Nelson, USA 2018
Blicken wir ein paar Jährchen voraus ... und wenden uns dem beliebten und fleißig mit Nachschub aller Preis- und Qualitätsstufen versorgten Genre des Endzeitfilms zu – konkret mit einem US-amerikanischen Streifen, der von Hollywood Gang Productions (immerhin 300 und dessen Nachfolger 300: Rise of an Empire) produziert wurde und damit zumindest B-Klassen-Status beanspruchen kann. Somit war hier also durchaus gedämpfter Optimismus angezeigt.
Die Apokalypse kommt kurz, bündig, völlig unerwartet und offenkundig von allerhöchster Stelle erwünscht: Eines Tages tauchen Flugzeuge am Himmel auf, die eine tief schwarze Chemikalie versprühen – und bald darauf sind alle Menschen tot. Zumindest fast alle: Es gibt Einzelne, die gegen das Gift immun sind. Für die herrscht nun Anarchie, und so bevölkern bald diverse Banden von Psychopathen das verödete Land. Die halbwegs normal Gebliebenen, „Domestics“ genannt, verschanzen sich in ihren Häusern und hoffen, den nächsten Tag noch zu erleben. Zwei von ihnen sind Mark und Nina, die eigentlich unmittelbar vor ihrer Scheidung standen, sich nun aber den Umständen geschuldet wieder zusammengerauft haben – allerdings nur im Sinne einer Zweckgemeinschaft.
Als Nina, die mit ihrer in Milwaukee lebenden Mutter per CB-Funk kommuniziert, von dieser nichts mehr hört, kommt sie auf die gewagte Idee, zu ihr zu reisen und nach dem Rechten zu sehen. Mark, der seine Partnerin zurückgewinnen möchte, sieht sich gezwungen, sie zu begleiten – und so fahren sie mit ihrem klapprigen Auto los, wohl wissend, dass sie damit voraussichtlich ihr Todesurteil unterschrieben haben, denn die Gebiete links und rechts des Highways sind fest in der Hand übler Gangs.
Tatsächlich lässt die erste Begegnung mit verrohten, mord- und vergewaltigungslüsternen Zeitgenossen nicht lange auf sich warten – Mark und Nina kommen noch glimpflich davon, aber ein paar Meilen weiter warten schon die nächsten Durchgeknallten. Auch das werden nicht die letzten sein, und wann immer unsere Protagonisten auf andere Menschen treffen, geht es um Leben und Tod. Selbst als sie tatsächlich lädiert, aber noch lebendig in Milwaukee ankommen, ist die Sache noch lange nicht ausgestanden ... und sie wird es wohl nie sein, denn was wir hier sehen und am Ende gesehen haben, ist nur eine Episode – die Zustände in der postapokalyptischen Welt werden davon nicht grundsätzlich tangiert.
Es ist also schon harter und angesichts des Einstiegs (eine ganz starke Szene übrigens – es wird eine der zwei, drei besten des Films bleiben) auch ausgesprochen böser Stoff, der uns von Mike P. Nelson hier angeboten wird. Dumm nur, dass man nie wirklich das Gefühl hat, harten Stoff vorgesetzt zu bekommen, auch wenn sich die Leichen stapeln und das Blut literweise fließt. Der Grund dafür ist vor allem darin zu sehen, dass sich Nelson im Wesentlichen darauf beschränkt, einige längst abgenutzte Genreklischees moderat zu variieren und zu überzeichnen – besonders bei den Mitgliedern der verschiedenen Gangs, die allesamt halb degeneriert wirken, mit dreckverkrusteten Gesichtern und Endzeitklamotten aus dem Mad Max-Shop ihres Vertrauens herumrennen und gern völlig idiotische Masken aufsetzen (was nur bei einigen Leuten beängstigend wirkt, die mit Tierköpfen herumrennen). Vor allem aber trägt wieder einmal jeder postapokalyptische Galgenvogel, der etwas auf sich hält (und das sind hier selbstredend fast alle), eine archaische Schweißerbrille. Warum zum Kuckuck? Himmel – das ist einfach nur albern. Ein solcher Dresscode sollte Filmen vorbehalten bleiben, die für tausend Dollar von Amateuren gedreht werden. Allein damit verspielt The Domestics jede Chance, auch nur als halbwegs anspruchsvolles Kino wahrgenommen zu werden.
Aber gut – das muss im Prinzip nicht zwingend sein: Man kann eine Arbeit dieses Sujets auch als überdrehte Groteske aufziehen und sich offen zum Trash bekennen (Turbo Kid ist da ein ganz feines Beispiel). Das wiederum tut Nelson ebenfalls nicht – vielmehr widmet er sich der kaputten Beziehung von Mike und Nina auf eine Weise, die bisweilen vermuten lässt, dass sie das zentrale Thema dieses Films sein soll. Wenn dem so ist, hat er jedoch auf der ganzen Linie versagt: Das Protagonistenpärchen ist wenig einnehmend und zudem sterbenslangweilig, weil schon das Skript keine Ahnung hat, was es mit ihm anfangen soll. (Dreimal darf man übrigens raten, welches Ende diese Beziehungsgeschichte in der hiesigen Klischeeparade nimmt ...) In größeren Zusammenhängen denken, also beispielsweise auf den Giftanschlag eingehen, mag Nelson, der übrigens auch als Autor in die Verantwortung zu nehmen ist, indes erst recht keine Sekunde lang. Man wird also lediglich durch die einzelnen Konfrontationen unserer Helden mit ihren Mitmenschen bei Laune gehalten und hangelt sich mit ihnen (begleitet vom dämlichen Gelaber eines Radiomoderators) durch eine Art Hindernisparcours von einem mehr oder weniger großen Höhepunkt zum nächsten. Doch immerhin: Es gibt sie, diese Höhepunkte, weshalb The Domestics bei allen Problemen sehr wohl seine spannenden Momente hat und daher noch kein ausgemachtes Ärgernis ist. Und wer will, kann hier ja auch hineinlesen, dass Nelson ganz gezielt das Amerika der Trump-Ära aufs Korn nimmt – das erscheint mir persönlich aber zu weit hergeholt.
An der Optik gibt es nichts auszusetzen – der Streifen kommt mit sauberen Breitwandbildern daher, welche die postapokalyptische Welt zwar nicht memorabel, aber zumindest angemessen illustrieren und höchst dankenswerterweise nicht von irgendwelchem visuellen Firlefanz wie dem Einsatz von Filtern verschandelt werden. Die blutigen Spezialeffekte entstanden unter weitgehendem Verzicht auf Rechentechnik und lassen sich ebenfalls sehen. Deutlich durchwachsener sieht es bei den Darstellern aus – vor allem deshalb, weil es Kate Bosworth als Nina und Tyler Hoechlin als Mark nicht wirklich schaffen, ihren farblosen Figuren etwas mehr Leben einzuhauchen als das Skript es tut. Vor allem Kate Bosworth sieht nicht nur wieder echt ungesund aus, sondern schlafwandelt auch mehr oder weniger abwesend durch das Geschehen und versucht nicht einmal, Interesse an ihrem Job vorzutäuschen. Tyler Hoechlin ist nicht unsympathisch, aber in Sachen Ausstrahlung fehlt ihm doch so einiges – einen Film tragen kann er nie und nimmer. Als heimliche oder weniger heimliche Heldin darf indes Sonoya Mizuno in der Rolle einer jungen Frau gefeiert werden, die als versprengtes Mitglied ihrer Mädels-Gang allein durch die Gegend läuft und allerlei Gesindel über den Haufen ballert. Das ist sehr schön. Der Score respektive Soundtrack speist sich schließlich vorwiegend aus zwei Komponenten – einerseits sind das erstaunlich ruhige und besinnliche Klangteppiche und andererseits zahlreiche Oldies, die wohl einen Hauch von Kultigkeit durch diesen Film wehen lassen sollen, aber durch die Bank belanglos sind. Bei einigen Actionszenen gehen aber auch die Eigenkompositionen einmal richtig aus sich heraus, was sich sogar ziemlich gut anhört.
So bleibt ein anspruchsloser, brutaler, in einigen Punkten lächerlicher, weitgehend wertfreier und daher wohl auch kurzlebiger Endzeitthriller, der nicht so recht weiß, ob er ernst genommen werden oder nur ein wenig die Zeit vertreiben will. Ich wusste es auch nicht – da waren wir schon zwei. Weil ich nun aber sowohl dem Genre des Endzeitfilms als auch gepflegtem Trash sehr wohlwollend gegenüberstehe, war ich mit The Domestics keineswegs unglücklich und hatte einen durchaus unterhaltsamen Abend. Die Zeit war also vertrieben. Der Abschied fiel mir allerdings nicht schwer, zumal ich davon ausgehen darf, dass mir die Postapokalypse recht bald wieder über den Weg laufen wird – und mit ihr Scharen jener Leute, die ohne Sinn und Verstand mit alten Schweißerbrillen herumturnen.
(09/22)
Mit viel Wohlwollen 6 von 10 Punkten.