Dunkel und modernd soll es sein - sagte Jan Svankmajer.
Einer bekannten Geschichte eine neue Dimension abzugewinnen ist immer ein gewagtes Unternehmen. Nur zu gut erinnert man sich an die oft allgegenwärtigen Adaptionen bekannterer Künstler - besonders wenn diese aus der Disney-Schmiede stammen. Sicher haben viele Zuschauer bei Alice in Wonderland zunächst die bonbonfarbenden Welten des Disney-Zeichentricks im Kopf und den recht fröhlich bunten, lebensbejahenden Ton dieses Trickfilmklassikers in Erinnerung behalten.
Wer jedoch einmal Lewis Carrolls Buchvorlage gelesen hat, hat den dräuende Unterton vernommen, der Angst machen und belehrern soll - Angst vor Machtmissbrauch und Kontrollverlust, ähnlich dem Ton mancher klassischer Märchen der Grimms oder eines Charles Perrault. Carroll wollte mehr als quitschbunte Absurditäten...
Jan Svankmajer trifft diese Punkte der Vorlage genauer als Disney es wohl je wollte. Sein Wunderland ist ein vermoderndes Haus, mit schimmeligen Wänden, bevölkert von absurden Figuren, denen durch die Stop-Motion-Technik Leben (wenn man dieses Wort benutzen kann...) eingehaucht wird.
Die sehr junge Darstellerin ist eher in einem Alptraum als in einem echten Wunderland gefangen; das Groteske erschreckt und belustigt selten.
Die bizarre Teegesellschaft des verrückten Hutmachers und des Märzhasens wird zu einem Kreislauf der jeglichen Sinn vermissenlassenden Repetition ewig gleicher Sätze.
"Ich will eine saubere Tasse", sagte der verrückte Hutmacher - und rückt einen Platz weiter. Dies tut er mehrere Male, während der Märzhase ununterbrochen Butter in Taschenuhren schmiert und diese dem Hutmacher, einer schlicht gehaltenen Holzfigur, an die mit Nägeln bestückte Brust heftet.
Wo bei Disney diese Szene zu einem anarchischen Reigen, fast zu vergleichen mit einer Szene der Marx Brothers, wird; so hat sie hier in der Schlichtheit der ewigen Wiederholung etwas sonderbar Erschreckendes.
Ebenso die Begegnung mit der Raupe auf dem Pilz, welche bei Svankmajer eine aus einem Socken gefertigte Handpuppe mit Knopfaugen ist, welche sich diese zum Schlafen zunäht.
Svankmajers Welt ist düster und verottend und nicht hell und heil.
So kann man diese Adaption als einzigartige Interpretation eines großen Klassikers werten. Weitab von jeglichem Massengeschmack.
Das hätte Disney nie gewagt...
Wertung: 10/10