Review
von suburbiac
Die Rache der letzten Samurai
Der Anfang könnte aus einem Akira-Kurosawa-Film stammen: Eine abgewetzte Gruppe von Samurai schleppt sich mit letzter Kraft durch das wildromantische japanische Hinterland und stößt schließlich auf ein abgeschiedenes Tal. Ihr Marsch endet in einem kleinem Dorf am Grund des Tals – dass dieses Ende wörtlich zu nehmen ist, zeigt sich später im Film noch recht drastisch. Schnitt in die Gegenwart der 1970er Jahre. 400 Jahre sind vergangen, und der junge Flughafenangestellte Tatsuya wird von seinem etwas sonderlichen Großvater gebeten, dringend in seine Heimat zurückzukehren: das erwähnte Dorf in der japanischen Pampa. Ein Fluch scheint auf der Familie des jungen Mannes zu lasten, was der Alte auch gleich mit seinem Ableben an Ort und Stelle unterstreicht. Erstmal zurück im „Dorf der acht Grabsteine“, sterben immer mehr Angehörige von Tatsuya. Eine unheimliche Geistergeschichte um untote Samurai macht die Runde, die in einem Höhlensystem unter dem Dorf hausen und sich für ein uraltes Unrecht rächen wollen ...
Spätestens seit Gore Verbinski 2002 mit seinem Remake einer japanischen Vorlage namens THE RING die Schleusen des US-dominierten Horrormarktes für fernöstliche Gruselgeschichten öffnete, war es wirklich jedem klar: In Sachen Angstmache haben es die Japaner einfach drauf! Dass die Mären von Hideo Nakata und Koji Suzuki (RINGU, DARK WATER) sowie von Takashi Shimizu (JU-ON) aber nicht im luftleeren Raum entstanden sind, sondern ihrerseits auf eine reiche Tradition zurückblicken, zeigt Yoshitaro Nomuras VILLAGE OF EIGHT GRAVESTONES bzw. YATSU HAKA-MURA aus dem Jahr 1977.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: VILLAGE ist keine lupenreine Horrorstory und es geht auch nicht um japanische Zombie-Ritter – obwohl auch hier ein böses Wesen mit langen schwarzen Haaren umgeht! Vielmehr verwebt der Film Motive aus Geistererzählungen, Kriminalgeschichten, Samuraifilmen und Familiensagas. Das gut zweieinhalb Stunden lange Epos ist auch nichts für die ungeduldige SMS-Generation. Die Verfilmung eines in Japan bekannten Okkultthrillers von Seishi Yokomizo von 1951 nimmt sich alle Zeit der Welt. Doch gerade diese gründliche Erzählweise und die kunstvolle Inszenierung mit ihren atmosphärischen Aufnahmen der japanischen Wälder und Berge, den stimmungsvollen Sets und dem zum Weinen schönen Soundtrack von Yasushi Akutagawa (hat jemand zufällig die CD?) erheben den Film weit über den Durchschnitt seiner Genregenossen.
Trotz aller klassischen Elemente und des relativ hohen Budgets ist der Film aber keine aufgeblähte Mainstream-Konfektionskost, die dem wahrem Liebhaber den gewünschten Zucker vorenthält. Schließlich sind da nicht nur die erwähnten Horrorelemente wie die immer wieder angedeuteten und schließlich real (allerdings in unerwarteter Form) auftauchenden Samuraigeister, die viel von der späteren Asia-Welle vorwegnehmen. Auch der durch Sonny Chiba und Lady Snowblood gestählte Freund wirbelnder Katana-Klingen bekommt etwas geboten, wenn im Dorf blutig reiner Tisch gemacht wird. Und dass man dem Film heute sein Entstehungsjahrzehnt anmerkt, ist gerade für Fans von 70er-Exploitationware ja nicht unbedingt ein Nachteil. VILLAGE ist zwar keine Exploitation im engeren Sinne – den einen oder anderen reißerischen Zoom gibt es aber auch hier, und das ist gut so.
Alles in allem scheint VILLAGE OF EIGHT GRAVESTONES zusammen zu fügen, was eigentlich nicht zusammen gehört: Kurosawa und übernatürliche Killer, Edgar Allan Poe und Kabuki. Dass dabei manches etwas holprig und konstruiert wirkt, ist verzeihlich – schließlich funktioniert es irgendwie. Weniger verzeihlich ist, dass den Film und seine tolle Musik außerhalb Japans immer noch kaum jemand zu kennen scheint – die DVD von Panorama/Shochiku ist hierzulande leider nur schwer zu bekommen und bietet in der Ausstattung (keine Extras, eher mageres Bild) sicher nicht das Beste des Machbaren.