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Eine technisch und visuell auf allerhöchstem Niveau produzierte Hommage an den Vater der modernen Malerei, an sein Leben, seinen Mythos, die Personen auf seinem Lebensweg und seine wichtigsten Werke - liebevoll arrangiert durch unzählige extra angefertigte Einzelgemälde in einer kriminologischen Retrospektive auf Vincents Zeit in Auvers rund um seinen vermeintlichen, oder tatsächlich durchgeführten Suizid im Juli des Jahres 1890. Die polnische Malerin und Regisseurin Dorota Kobiela erschafft in Zusammenarbeit mit dem britischen Produzenten Hugh Welchman ein filmisches Monument für die Ewigkeit, eine Huldigung der Kunst und neuen Sichtweisen Vincent van Goghs, eine Huldigung seines Gespürs für Farben, den Zauber des Alltäglichen, sein Außenseitertum und das ihm entgegen schlagenden Unverständnis gleichermaßen wie die Bewunderung und Faszination, die ein so ungewöhnliches Genie in seinem direkten Umfeld hervorrufen kann. Dafür werden berühmte Figuren aus den Gemälden des holländischen Malers zum Leben erweckt, Menschen aus allen Teilen seiner Wahlheimat Frankreichs begegnen sich so auf der Suche des zunächst distanzierten Postmannsohnes Armand Roulin nach der Wahrheit rund um den Tod van Goghs in Auvers und schildern ihre Sicht, herausgearbeitet aus zeitgenössischen Darstellungen - und auch Vincent kommt zu Wort, sprechen doch seine Briefe aus dem Nachlass seines Bruders tief aus dem Herzen des Unverstandenen.

Ein wahrer Filmgenuss für jeden Liebhaber und Vertrauten des Ouevres van Goghs, aber auch für jeden, der eine Einführung in das Thema erbittet, oder für die, die innovative Animationsfilme schätzen. Man kann sicher kritisieren, dass der Film eher den Mythos van Goghs in den Blick nimmt, während das künstlerische Schaffen über Kopien eher zum bloßen Träger der Handlung wird. Gleichzeitig werden bedeutende Schaffens- und Lebensperioden van Goghs in der Wallonie, in Nord-Brabant oder London komplett ausgeblendet - dies ist aber sicher einer einheitlichen visuellen Konzeptionierung geschuldet, da sich sein Malstil der Anfangszeit deutlich düsterer und weniger farbenfroh offenbart, als sein späterer, der in der öffentlichen Wahrnehmung zu seinem Markenzeichen wurde. Doch kann man dieser Kritik auch noch etwas anderes entgegen halten: Loving Vincent löst van Goghs Bilder aus dem Museum und überträgt die Sinnhaftigkeit und Faszination der Malerei auf das moderne Auge und leistet somit etwas, was Vincent selbst in seiner Zeit versucht hat: Die Erschaffung eines neuen Blickwinkels, neuer Sichtweisen auf die Welt durch die Kunst. Genauso wie die Malerei seiner Hochphase legt der Film einen Fokus auf Licht, Farben und Wogen, die mithilfe des Mediums des Animationsfilms nicht nur scheinbar einen Einfluss auf die Bewegung selbst haben.

Unterlegt mit einem ansprechenden Soundtrack und unterstützt durch die spannende Kriminalgeschichte entsteht eine beeindruckende Verbeugung vor dem vielleicht wichtigsten Künstler der Moderne, dessen Schaffen der berühmte Expressionist Max Pechstein stellvertretend für eine ganze Künstlergeneration mit den Worten zusammenfasste: "Van Gogh war uns allen ein Vater!"

10/10

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