Es ist ein bißchen Segen und Fluch zugleich, wie Netflix derzeit die Kinolandschaft verändert. Früher wäre so ein Film definitiv ein Anwärter für einen Kinoabend gewesen, und mit früher ist gar nicht so viel früher gemeint, siehe "Argo".
Im Prinzip haben wir eine recht adäquate Graham Greene Verfilmung ("Der Honrarkonsul" läßt grüßen) trifft auf "Michael Clayton" trifft auf "Syriana" trifft auf John Le Carre. Und bis zum Finale hält der Film jeglichen Vergleich stand, aber dann muss er sich am US-Publikum anbiedern. Aber dazu gleich mehr.
John Hamm spielt einen Arabien-Experten, der diplomatisch in Beirut tätig ist und im Spätsommer 1972 (Geschichtsfindige werden ahnen, was gleich kommt) zwischen die Fronten gerät, als der Mossad einen der Drahtzieher des Attentats der Münchner Sommerspiele des gleichen Jahres mit Hilfe seines Pflegesohnes jagen will. Bei der Situation kommt es zu einer folgenschweren Katastrophe, so dass sein Leben komplett aus den Fugen gerät, er aus Beirut flieht und zum verkorksten Alkoholiker wird. 10 Jahre später wird ein Top-Agent der CIA im mittlerweile komplett zerbombten Beirut entführt und die Entführer wollen nur mit ihm verhandeln.Es ist schon überragend, wie spitzfindig die Dialoge sind, mit welcher Präzision hier Informationen weiter gegeben werden, und wie schnell sich hier plötzlich Allianzen bilden und verschieben können. Selbst als unbeteiligter Zuschauer wird man recht schnell an die Hand genommen und schnell aufgeklärt, wer wie weshalb tickt. Dabei bleibt der Film angenehm kurz, also auch ohne irgendwelche Durchhänger, aber es ist auch nicht so, dass der Film mit einer dumpfen Hurra-Patrotismus-Message hausieren geht, wie es beispielsweise "Operation Kingdom" seinerzeit gemacht hat, und ein extrem ärgerliches Gefühl beim mündigen Publikum hinterliess. Es gibt hier nur Graustufen, und manchmal ist ein symbolisches Töten EINES Feindes auch wichtiger als ganze geopolitische Strategien, und selbst das bleibt extrem glaubwürdig unterfüttert.
In all diesem Tohubawohu überzeugt John Hamm als desillusionierter Verhandlungsmeister, der einfach nur fertig ist mit sich und der Welt, den seine Vergangenheit einfach nicht in Ruhe lassen will. Und wie so üblich bei grandiosen Romanen zu diesem Thema gelingt es dem Film, seinen Protagonisten Full Circle gehen zu lassen und wenn der Film die Eier gehabt hätte, hier tatsächlich die letzte Konsequenz einer (wohl nicht vorhandenen) Romanvorlage zu gehen, dann wäre Beirut ganz sicher mit zu den besten Werken dieses Genres zu zählen gewesen.Aber er geht den vermeintlich sichereren Weg, und es gelingt ihm, ein Ende zu servieren, dass sicherlich für das US-Publikum zugeschnitten ist, was gerade im Hinblick darauf, dass es sich um eine Netflix-Original-Verfilmung handelt, dann doch sehr verwundert. Mit dem Netflix Logo hätte man konsequent seine Geschichte erzählen können und der Film hätte keinerlei Einbußen an den Kassen gehabt. Aber diese verpasste Chance kostet den Film dann doch ein bis zwei Punkte.
Doch unabhängig davon, dass das Ende, alles perfekt vorbereitet, und erst im Schlussspurt nicht die eigene Courage durchhält, ist der Film astreiner Anschauungsunterricht dafür, wie gut, spannend und lehrreich Politthriller gleichzeitig sein können. John Hamm wird von Rosamund Pike und einigen A-Fernseh-Serien-Nebendarstellern perfekt ergänzt und letztlich kommt ein Film heraus, bei dem man zu jeder Sekunde (bis zum Ende) bedauert, dass er es nicht ins Kino geschafft hat.Wobei man fairerweise sagen muss, dass zwischen dem tatsächlichen Ende und möglichen Ende nur eine kleine Nuance liegt, und in beiden Fällen ein realistisches Happy bzw. rundes Ende für gefühlt 90% der beteiligten Parteien drin gewesen wäre, selbst im kompromisslosen Fall. Insofern ist das wirklich Meckern auf sehr hohem Niveau.
Und je mehr ich darüber schreibe, wie wenig das tatsächliche Ende der tatsächlichen Qualität des Films was wegnimmt, desto mehr zweifle ich daran, dass die ursprünglich angepeilten 7 Punkte tatsächlich auch so gerechtfertigt sind.Er verdient trotz dem seichteren Ende mehr als nur gutes Mittelmass, da alles vorher Gesehene wirklich mehr als nur überragend war. Also ganz knapp, wirklich haarscharf 8 Punkte (gefühlte 7)