Angst - „ein Grundgefühl, das sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert"
„The Ritual" ist ein klassischer Horrorfilm. Hier dreht sich wenig um Gewalt und Gekröse (obwohl auch das später nicht zu kurz kommt), dafür viel um die Intensivierung des Gefühls der Angst. Einer stygischen Beklommenheit. Und der in Deutschland bisher nur via Netflix erschienene britische Film leistet genau das via einer filmisch geschickten, psychologisch gelungenen Inszenierung recht vorzeigbar.
Eine Gruppe junger Briten, die bei einem brutalen Gewaltdelikt in der Großstadt einen Freund verloren haben, flieht vor den Gefahren des urbanen Dschungels in die Wildnis Schwedens. Ihren Drang nach Erlösung vom Erlebten in den Knochen. Doch die Idee, nicht die vorgeschriebene Route zur nächsten Lodge zu nehmen, sondern fernab des Weges direkt durch die schattigen Wälder zu laufen, die sich ganz offensichtlich nicht für ein schnelles Fortkommen eignen, ist hier keine gute. Denn von Beginn an fühlen sich die vier Männer beobachtet und meinen, von einer im Dunklen verborgenen Entität bedrängt zu werden. Es ist zunehmend so, als würde sie das Unterholz in den Würgegriff nehmen. Und dieses sorgenvolle Empfinden ist - in dieser Geschichte - nur allzu berechtigt.
Es gibt so viele Horror-Billigfilmchen (wie zum Beispiel „Das Baumhaus", 2014), die eine ganz ähnliche Prämisse als Idee hernehmen, um dann im Verlauf der kommenden 80 oder 90 Minuten so gut wie gar nichts zu bieten, außer dilettantischen Kamerafahren ins Grün des teure Kulissen ersetzenden Nadelwalds oder sinnloses Papperlapapp der Laiendarsteller. Nichts Bemerkenswertes, schon gar nichts Substanzielles und, was noch schlimmer ist, keine befriedigende Erklärung. „The Ritual" ist wohltuend anders. Zwar ist auch das hier keine hochbudgetierte Angelegenheit, aber Regisseur David Bruckner („The Signal", 2007) bringt es zuwege, Akzente zu setzen und das Versprechen eines sehr unheimlichen Films wenigstens so lange zu halten, bis klar ist, was los ist.
Die Gretchenfrage einer jeden solchen Geschichte - die in diesem Fall übrigens auf der Romanvorlage aus der Feder Adam Nevills beruht - ist stets: Übersteht sie ihre eigene Klimax? Überzeugt das Bebildern der Erklärung für das eigentlich Unerklärbare den Filmfreund oder nicht? Und wenigstens ist es diesmal so, dass sich mehr ersonnen wurde als der hundertste Hinterwäldler oder eben - gar nichts. Der hier vorgestellte Schrecken ist in Sachen Creature-Design trefflich und, wenn auch nichts bahnbrechend Neues, so doch genrebewusst und authentisch.
„Bis das Blut gefriert" (1963) oder, wenn wir bei den Romanen bleiben, der ja unverfilmbare „The Turn of the Screw" ist das hier nicht. Durch diesen Forst möchte man nicht streifen. Ganz bestimmt nicht. Aus handfesten Gründen. Doch wenn man das Zimmer etwas abdunkelt, eine Kerze anzündet und die herbstliche Jahreszeit samt später Stunde für sich wirken lässt, dann sieht man zumindest anderen gern mit einem wohligen Schauer dabei zu, wie sie es tun. Dann hält dieses Spiel mit der Angst durchaus, was es verspricht. Wenn man sich nichts Illusorisches davon verspricht. Denn in dem Falle sähe man vielleicht tatsächlich den Wald vor lauter Bäumen nicht.