Review

„American Assassin". Wie hört sich das denn wieder an? Also mindestens total hochverdächtig. Was umtreibt die Amerikaner nämlich im Regelfall mit ihrem „American" hier, „American" da? Eben. „American Commando", „American Fighter", "American Sniper", „American Force Fighter", „American Ninja", „American Hero" - all diese Titel gibt es wirklich. Man stelle sich einmal vor, wir Deutschen würden Filme drehen und ihnen Titel geben, wie „Der deutsche Ninja" oder „Deutscher Straßenkämpfer" oder „Der deutsche Held". Vermutlich würde nach dem achten oder neunten brennenden Lichtspielhaus (und einer ganzen Reihe redaktioneller Herzinfarkte) der Filmverleih aus Gründen des Landesfriedens den Titel ändern. Vielleicht in „Der mitteleuropäische Scharfschütze". Oder „Der bundesdeutsche Ninja". Wie dem auch sei, die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein paar Amerikaner wieder einmal selbst bejubeln, liegt bei einem solchen Titel ungefähr bei 99,98 (und gefühlten 100) Prozent. Die Sache ist nun aber die, dass wenn dem einen zugejubelt wird, ein anderer nicht selten die Leviten gelesen bekommt. Oder ein total loser ist. Oder sogar von Manitu hört. Oft sind das die Deutschen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Oder die Russen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Oder die Islamisten des beginnenden 21. Jahrhunderts. Und je nach persönlicher Sicht und jeweiligem filmischem Prügelknaben ist das dann hierzulande „völlig berechtigt", oder „reine Propaganda" oder „doch völlig egal". Meist aber eben letzteres - mit einem Achselzucken quittierte Unterhaltung. Hier sind es übrigens tatsächlich wieder einmal ein paar intellektuell unterbelichtete und doch erleuchtete Gotteskrieger, die als Strafe für ihre Untaten von einem amerikanischen Helden mit dem Sichelschnitt rasiert werden. Soweit, so alltäglich. Allerdings ist da auch ein komplett irrer Amerikaner. Ein Abfallprodukt amerikanischer Supermacht.

Der Auftakt zu diesem waschechten Actionfilm alter Bauart wird an den Strand Ibizas verlegt. Der junge Mann Mitch (Dylan O'Brien) hat seiner Freundin gerade einen Heiratsantrag gemacht, als ein paar Typen das Feuer auf die badenden Touristen am Ort eröffnen. Die Freude auf Zukünftiges währt also nur ein paar Augenblicke, denn die junge Frau stirbt im Kugelhagel. Schnitt. Ein paar Monate später. Mitchs Wohnung sieht aus wie der Arbeitsplatz von Ethan Hunt. Überall hängen Steckbriefe und Köpfe bekannter islamistischer Terroristen an den Wänden. Schnüre verbinden Drahtzieher und News aus dem Nahen Osten flimmern über einen Bildschirm. Dann textet Mitch mit einer unbekannten Person via Computer - auf Arabisch. Er will Kontakt mit denen, die für den Tod seiner Verlobten verantwortlich sind. Und er ist erfolgreich. So erfolgreich, dass sich - ohne sein Wissen - schon längst die heimischen Behörden für seine geheime Kommunikation interessieren. Als er wenig später nach Nordafrika reist, um einen gesuchten Verbrecher zu treffen (und ihn zu töten), rettet ihm in letzter Sekunde die CIA das Leben. Doch sein Enthusiasmus und seine (potentiell) geheimdienstlichen Fähigkeiten haben offenbar beeindruckt. Man ist an diesem gewieften Mann interessiert. Ist Mitch womöglich willens und in der Lage, im Auftrag der Agency genau solche Leute zu jagen, die Menschen wie seine Freundin grundlos umbringen? Es sieht jedenfalls ganz danach aus.

Es kommt trotz der Erfolge von „96 Hours" (2008), „The Equalizer" (2014) oder „Olympus Has Fallen" (2013) nicht allzu oft vor, dass ein blutiger (!) Actionfilm so ganz ohne Comic-Hintergrund fürs Kino inszeniert wird. Natürlich bedarf es, um das überhaupt zu würdigen, eines prinzipiellen Interesses an solchen Filmen. Ist das aber vorhanden, dann kommt ein Beitrag wie „American Assassin" gerade recht, denn hier wird wenig auf europäische Befindlichkeiten Rücksicht genommen und im Wesentlichen der Geist von einst beschworen. Das soll heißen, dass das Rezept gegen die Schufte dieser Welt jedenfalls in diesem Film ein beherzter Zugriff einiger (amerikanischer) Draufgänger ist. Das wird einige wurmen, andere freuen und wieder andere langweilen. Was unterm Strich bleibt, ist ein durchaus rasanter Action-Thriller, der weder den Anspruch erhebt, anspruchsvoll zu sein, noch der Hybris verfällt, ernsthaft zu meinen, einen wertvollen polit-filmischen Beitrag leisten zu können. Ohne unnötige Pausen schießt und schlägt sich Dylan O'Brien durch die Geschichte und erfüllt damit einen Auftrag, der gerade bei Filmen dieser Thematik gern schnell vergessen wird: Er unterhält. Zu ihm gesellt sich der toll aufspielende Michael Keaton, der als stählerner Ausbilder eine ebenso gute Figur macht wie als Fledermaus-Mann oder Vogel-Mann. Überhaupt erreichen die darstellerischen Leistungen ein Niveau, das beinahe darüber hinwegtäuschen könnte, dass hier Niveau im Grunde nebensächlich ist.

Ganz so einfach wie die filmischen Matrizen der 1980er macht es sich Michael Cuesta ("Six Feet Under", „Dexter") dann allerdings doch wieder nicht. Denn der eigentliche Drahtzieher und am dringendsten medizinische Hilfe benötigende Wahnsinnige, ist ein ehemaliger Navy-Angehöriger. Ein Zögling des psychologisch eindimensionalen Ausbilders (Keaton), der auch Mitch inzwischen unter seine Fittiche genommen hat. Natürlich ist auch diese Figurenkonstellation inzwischen längst ein Genre-Klassiker, doch erlaubt sich das fürs Drehbuch verantwortliche Quartett damit, einen kleinen Seitenhieb auszuteilen auf den womöglich in Teilen ethisch zweifelhaften Drill der Special Forces. Denn eines wusste schon ein Moltke (der Ältere). Es bedarf, um ein fähiger Offizier zu sein, stets der militärischen Expertise und (!) der humanistischen Bildung. Es ist kein Geheimnis, dass die Doktrin der alten Preußen nicht in Gänze bei der US-Army Anwendung findet. Natürlich, ein an lohnenswerten Denkansätzen (oder auch nur Denkgelegenheiten) reicher Film ist „American Assassin" nicht und will er auch, wie gesagt, nicht sein. Vergleichbar etwa mit der Rasanz von Pierre Morels Trip nach Paris jagt der Held hinter der Waffe seinen persönlichen Dämonen hinterher und schießt sich durch eine freilich klischeehafte Geschichte. Die Psychologie der Gewalt wird zwar immer wieder gestreift und sogar explizit angerissen, doch nie ernsthaft diskutiert.

Vielleicht lässt sich „American Assassin" mit einem guten Hamburger vergleichen. Also nicht mit so einem labbrigen Glibber-Brötchen von Wendy's oder McDonald's, sondern mit einem pfiffig zusammengestellten Imbiss eines guten Restaurants am Broadway. Beides schmeckt toll und ist noch nicht einmal die anspruchsloseste Wahl. Doch gäbe es selbstredend nahrhaftere Alternativen. Beides ist auch überhaupt kein Grund sich zu schämen, und dennoch käme man nicht auf die Idee, damit hausieren zu gehen. Und nicht zuletzt ist beides für uns Europäer kein Alltag. Denn dafür ist es zu amerikanisch. Apropos (ur-)amerikanisch. In Zeiten, in denen eine dem US-Mainstreamkino entsprungene Wunderfrau auf den Kreuzzug geht und Ressentiments am Fließband bedient, indem sie die einhundert Jahre alten Ergüsse der US-Propagandamaschine von einst ohne auch nur einen Funken Ehrlichkeit kolportiert und einen Film lang auf das hier und jetzt überträgt - in diesen Zeiten ist ein weiterer amerikanischer Spartenfilm eigentlich gar nicht der Rede wert. Erst recht nicht, wenn er sogar einen zarten Anflug von Selbstreflexion zeigt. Zugegeben, ein bisschen suchen muss man danach natürlich schon.

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