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Morgan Spurlock, der Dokumentarfilmer, der 2004 mit seinem Selbstversuch „Super Size Me" einige Bekanntheit erlangte, kehrt 13 Jahre später mit einer Fortsetzung zurück, in der er das Prinzip Selbstexperiment noch etwas weiter treibt: Diesmal eröffnet er ein eigenes, auf Hühnchen spezialisiertes Fast-Food-Restaurant - und erhält bei seinen Vorbereitungen so manchen Einblick hinter die Kulissen dieser Milliarden-Dollar-Industrie.

Ähnlich wie Michael Moore bleibt auch Spurlock seinem einmal erfolgreichen Stil treu: Mit viel Humor, Selbstdarstellung und flotter Inszenierung bereitet er die Fakten, um die es ihm geht, unterhaltsam und witzig auf. Dass er dabei auch seinen eigenen Status als bekannter Dokumentarfilmer thematisiert und zum Beispiel erzählt, wie eine Fast-Food-Kette ihn um Werbung für ihre angeblich so gesunden Produkte bat, macht einen sehr sympathischen Eindruck. Mit leiser Ironie wird hier die ganze Zeit im Auge behalten, dass er einen bestimmten Ruf hat, den er auch für weitere Geschäftsmodelle durchaus zu nutzen versteht - so fällt der Begriff Transparenz doch recht häufig zwischen ihm und den Agenturen, mit denen er sein neues Geschäft aufbauen will.

Inhaltlich bleibt „Super Size Me 2: Holy Chicken!" allerdings ein wenig dünn. Bis auf einige wenige Einblicke in die von fünf großen Konzernen dominierte Hühnchen-Industrie in den USA (und deren nicht sehr freundliche Vorgehensweisen) gibt es hier eigentlich nicht wirklich neue Informationen für Menschen, die sich jemals schon bewusst mit der Funktionsweise moderner Lebensmittelindustrie beschäftigt haben. Das pure Aufzählen von Fakten, etwa wie viele Hühnchen jedes Jahr in den USA verspeist werden, ist für einen Film, der sich so deutlich Aufklärung und kritische Hinterfragung auf die Fahnen geschrieben hat, dann doch etwas wenig.

In diesem Zusammenhang bleiben auch die emotionalen Manipulationsversuche des Zuschauers arg durchschaubar und deplatziert. Wenn man weinende Hähnchenfarmer sieht, die nur ziemlich allgemeine Dinge über den enormen Druck, den die Industrie auf sie ausübt, erzählt haben, wirkt das einfach nicht überzeugend. Von wirklich tragischen Geschichten oder großen Skandalen ist hier nichts zu sehen, selbst die Zustände in den Zuchtfarmen bleiben bestenfalls Randbemerkung, hatte Spurlock doch keine Drehgenehmigung für diese. Und zu betonen, dass seine eigene Farm vergleichsweise idyllisch ausfällt, reicht als dokumentarische Information nun wirklich nicht aus.

Auch bleibt das Thema Tierwohl ganz allgemein nur flüchtig gestreift - da wird mal über die gesundheitlichen Folgen für die Tiere von jahrzehntelanger Überzüchtung geredet, dann über Platzverhältnisse und die Frage, wie sich „Freilandhaltung" definiert. Und wenn Spurlock seine aufgezogenen Hühner zum Schlachter transportieren lässt, merkt er einmal kurz, dass das doch ein etwas seltsames Gefühl ist. In vielerlei Hinsicht wirkt der Film so, als hätte er gesellschaftsethische Diskussionen rund um Nutztiere der vergangenen zehn Jahre nicht mitbekommen, wozu auch der erstaunliche Fakt beiträgt, dass in einem Film über gesunde oder nicht gesunde Ernährung kein einziges Mal Vegetarismus oder Veganismus erwähnt werden.

Diese inhaltlichen Lücken lassen sich nur schwer auffüllen. Spurlock versucht es immerhin mit seinem Charme, seiner gekonnten Selbstdarstellung, die diesmal angenehm zurückhaltend und weniger moralisch überlegen ausfällt, und einer temporeichen Schnittfrequenz, die samt eingespielten Zeichentrick-Sequenzen für genug Abwechslung sorgt, um den Zuschauer bei Laune zu halten. Als Dokumentarfilm eindeutig zu inhaltsleer, kann „Super Size Me 2: Holy Chicken!" immerhin als sympathische One-Man-Show leidlich unterhalten.

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