Review

Nach dem letzten Endes enttäuschenden Gesamtergebnis von „Stille Nacht, Horror Nacht“ wurde 1987 der zweite Teil nachgeschoben. Im Gegensatz zu einem Michael Myers, der in „Halloween 2“ (dem von Rick Rosenthal, nicht Rob Zombies Neuauflage) gestorben zu sein schien, um sich ab Teil vier doch wieder gesund und munter durch die Gegend zu schlitzen, wurden hier keine inhaltlichen Verrenkungen vorgenommen, um den mausetoten Billy wiederzubeleben, sondern er gab das imaginäre Zepter an seinen kleinen Bruder Ricky weiter, denn nach B-Film-Logik vererbt sich Verrücktheit weiter.

So haben wir hier nun also Eric Freeman als mittlerweile erwachsenen Sproß, der einem Psychiater seine Lebensgeschichte erzählt. Das heißt: Es wäre schön, wenn er seine Lebensgeschichte erzählen würde, aber zunächst holt er lieber ganz weit aus und erzählt die seines Bruders (!), was von ihm logisch damit begründet wird, daß Billy ihm alles erzählt hätte. Ist das schon doofe Ausrede genug, werden die Grenzen der Zuschauerverarschung dreist überschritten, indem die kompletten ersten 40 Minuten fast vollständig die wesentlichen Geschehnisse in Bild und Ton rekapitulieren (!!): den Mord an den Eltern, Billys Aufenthalt im Waisenhaus und den Amoklauf selbst bis hin zu dessen eigenem Tod. Klar, daß Ricky, der bei mehreren Morden Zeuge war, nun auch einen Hau weg hat. Hälfte eins ist also maximal für Leute brauchbar, die das Original nicht kennen. Alle anderen können gepflegt die Vorlauftaste glühen lassen und sich über die Frechheit der faulen Drehbuchautoren empören, deren kreative Eigenleistung insgesamt etwas mehr als 40 Minuten umfaßt.

Und das „kreativ“ vor „Eigenleistung“ kann man auch getrost wieder streichen, denn „Stille Nacht, Horror Nacht Teil 2“ ist nun wirklich nichts anderes mehr als eine stupide Aneinanderreihung von Etappen aus Rickys verkorkstem Leben, die fast durchgehend mit mindestens einem Toten enden, bis für die stolzen letzten 15 Minuten (!!!) dauerhaft in die Gegenwart gewechselt und beinahe übergangslos zum Showdown kommt. Demzufolge gibt es nach der 40-minütigen Zusammenfassung von Teil eins noch einmal eine runde halbe Stunde lang einen Rückblick, wenn auch mit neuen Mordszenen, diesmal ausgeübt von Ricky, die denen aus dem Vorgänger in wenig nachstehen.

Begreift man den Film lediglich als Gewaltparade, kann man an diesem stumpfsinnigen Quatsch sogar seinen Spaß haben, und zwar nicht zu wenig. Der alleinige Grund dafür ist – Eric Freeman! Wie sich dieser Möchtegern-Schauspieler mit weit aufgerissenen Augen und entgleisenden Gesichtszügen durch seine Killerrolle chargiert, ist in Worten kaum zu beschreiben. Jeder noch so kleinen Äußerung verleiht er in seiner Art, wie er spricht und die Wörter rauspresst, wie er guckt, einen bedeutungsschwangeren Unterton. Das fällt bereits in den kurzen Zwischeneinspielern auf, als er von seinem Bruder erzählt, aber wenn er selbst auf die Kacke hauen darf, geht die Gaudi los. Der Höhepunkt in der Hinsicht ist sicherlich erreicht, als er nacheinander Nebenbuhler (mit der Autobatterie), Freundin (mit der Autoantenne), einem Polizisten und unglücklich im Weg rumstehenden Kleinstadtidyllbewohnern den Garaus macht. Diese Szene macht in Trashkreisen im Internet die Runde (Stichwort: „Garbage Day!“) und ist, obwohl vom Potential her durchaus extrem verstörend, ein nur schwer aus dem Gedächtnis zu streichender Brüller vor dem Herren, aber Freeman gestaltet sie aufgrund seines eigenwilligen Auftritts, der laut Regie-Anweisung gewiß die gegenteilige Wirkung besitzen sollte, auf unnachahmliche Weise um.

An einer Stelle versucht sich der Film gar an Selbstparodie: Ricky sieht mit seiner Freundin im Kino den perfekten Date-Film „Stille Nacht, Horror Nacht“, den zwei vorlaute Besucher als „schlecht“ titulieren, ehe unser Amokläufer mit ihnen kurzen Prozeß macht und am Ende meint, der Film würde anfangen, ihm zu gefallen. Das ist etwas, was das Original streng vermieden hat.

Außerdem bietet der Nachfolger ein Finale, das seinen Namen auch verdient. Auf den letzten Metern bekommt der Film das einzige Mal die Kurve in Richtung „ernstzunehmend“, wenn sich der Psychopath mit der immer noch lebenden, aber im Rollstuhl dahinvegetierenden und mit Narben im Gesicht übersäten Mother Superior, die im Laufe der Jahre völlig den Verstand verloren zu haben scheint und somit nicht minder wahnsinnig ist als ihr Gegenüber, ein spannungsreiches Schlußduell liefert, bei dem ausnahmsweise auch mal auf Atmosphäre gesetzt wird, anstatt sich in der Zurschaustellung von Grausamkeiten zu gefallen. Leider hat der Film zu dem Zeitpunkt fast jeglichen Kredit verspielt.

Unter Ausblendung der dumm-dreisten ersten Hälfte, die aufs Schärfste verurteilt gehört und in Fortsetzungsgeschichten glücklicherweise noch nicht gängige Praxis geworden ist, habe ich mich also vorzüglich unterhalten gefühlt, wenn auch aus anderen Gründen als von Regisseur Lee Harry intendiert. Hauptdarsteller Freeman macht „Stille Nacht, Horror Nacht Teil 2“ zu einer Show, zu seiner One-Man-Show, die ihm erst mal jemand nachmachen soll. Objektiv natürlich beinahe durchgehend aus Trash-Gesichtspunkten genießbar, das aber richtig. 3/10.

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