Als erste deutsche Netflix-Produktion waren die Erwartungen entsprechend hoch - zumal Amazon mit seinem Produkt "You Are Wanted" ja eher einen qualitativen Reinfall erlebt hat und damit die Alltime-Medien-Höhenflüge eines Matthias Schweighöfer vorerst einmal beendete.
Nun ist sie also da, nennt sich "The Dark" und bietet, um das Fazit voranzuschicken, eine clevere und düstere Story mit vielen Wendungen, Fährten und einer Atmosphäre, die sich im deutschen Serien-Dschungel als erstaunlich "dark" sehr ernst nimmt.
An dieser Stelle wäre auch der erste Kritikpunkte anzusetzen:
Düsternis wird anscheinend in Deutschland stets mit düsterem Wetter gleichgesetzt, denn gefühlte 90 Prozent der 10-teiligen Handlung spielen im strömenden Regen.
Natürlich kann man argumentieren, dass es in Deutschland tatsächlich im November (dem Handlungsmonat) sehr häufig regnet oder aber dass man im Ausland bereits einiges vom deutschen Wetter erwartet (nämlich dass es eben oft regnet).
Eine weitere, recht oft auftretenden Methode, dem Zuschauer zu zeigen, dass man sich in einer der Handlungsebenen mitten in den 80er Jahren befindet, ist das ständige Zeigen von Accessoires aus dieser vielgeliebten Zeit-Epoche.
Was an sich eine sehr schöne Gelegenheit ist, den Zuschauer an die vermeintlich gute alte Zeit zu erinnern, wo er in Nostalgie schwelgen kann mit bunten Tapeten, Doppel-Stock-Betten, Rubix-Würfeln und dem guten alten VW-Golf 1 (als Polizei-Fahrzeug im Einsatz).
Allerdings ist hier der Einsatz der obligatorischen "Raider"-Verpackung derart überpräsent - dass man sich schon fragen möchtel, ob der Hersteller hier eine historische Form des Product-Placement testet:
Da wird nach Feierabend der beliebte Schokoriegel aus dem Handschuhfach geholt, in der Schule ständig davon abgebissen, alte Verpackungen auf den Tischen liegen gelassen und Snacks aus den Jackentaschen geholt, dass man beinahe denkt, die 80er in Deutschland WAREN ausschließlich von Raider bestimmt!
Verwirrend kann auch das ständige Wechseln der Zeit- und Erzähl-Perspektiven sein, da man dabei eine grosse Menge an Figuren in unterschiedlichen Stadien des Alterns sortieren muss. Diese findet nämlich nicht linear statt.
Damit das Unken nun ein Ende nimmt, möchte ich diese dreiPunkte allerdings als einzige Kritikpunkte stehen lassen.
Die Darsteller sind gut gewählt, die Hauptfiguren in unterschiedlichen Altersstufen sind beinahe beängstigend realistisch ähnlich aussehend und die typisch deutschen Wohnanlagen und Angelpunkte der Handlung sind von einer Authentizität, dass es eine wahre Freude ist.
Der Plot ist wahrhaft genial verworren und entspinnt sich von Folge zu Folge mehr zu einem ineinander verschlungenen Gespinst aus Schuld, Sühne, Verbrechen, Fanatismus, und Niederträchtigkeit, die man mit einer deutschen Serie selten in Verbindung bringen kann.
Dass die kreativen Köpfe sich auch phantastischer Elemente bedienen, passt hervorragend zum Setting und die vielen Versatzstücke, die Netflix offenbar zur besseren Auslandsverwertung die deutsche Herkunft von "Dark" erkennen lassen, wirken stellenweise zwar arg bemüht aber waren irgendwie zu erwarten.
Wo wir beim Thema Erwartungshaltung sind, kann ich nur sagen, dass diese bei mir gut erfüllt wurden, immerhin ist die Prämisse gut gewählt (ausführlicher wurde damit wahrscheinlich im Mainstream bisher nur in den "Zurück in die Zukunft"-Filmen gearbeitet und gedeutet).
Die detailreichen Sets und Handlungsorte, Kostüme und Frisuren (hier besonders erwähnenswert die 50er Jahre) sind sehr schön ausgeführt und hinterlassen auch keinen bitteren Klischee-Nachgeschmack (Ausnahmen wurden weiter oben benannt).
Damit hat Netflix eindeutig auch die Nase vorn in der Entwicklung einer deutschen Produktion eines Streaming-Dienstes und wenn die Serie fortgesetzt wird, kann man sich sogar verhalten auf den neuen Handlungsstrang freuen, welcher die Serie höchstwahrscheinlich logisch weiterführt, ohne sich zu wiederholen.
Der End-Cliffhanger lässt zumindest darauf hoffen, befriedigt aber auch zu einem Großteil schon den Zuschauer der ersten Staffel.
Eine gut erdachte und mit Sorgfalt ausgeführte Serie ist damit entstanden, von der man hoffen kann, dass sie bald auch einem größeren Zuschauerkreis als dem des Streaming-Dienstes Netflix zugänglich gemacht wird.
Der Blick lohnt sich nämlich wirklich.