Vampire und ihr Gehabe umgibt irgendwie irgendetwas Erotisches. Man vergleiche nur einmal die sich nicht durch Zufall meist an der Knutschfleck-Stelle einer schönen Frau verbeißenden Untoten mit ihren Pendants - den Werwölfen und Zombies. Hier, eine quasi-sexuelle Handlung, dort, recht unromantisches Gemetzel. Kein Wunder also, dass Blutsauger-Literatur und -filme vor allem auch ein breites weibliches Publikum finden, denn so ein Nachbar als Vampir sieht allein rein optisch der Erfahrung nach nicht schlecht aus. Solch einem durchgestylten Beau kann man sich schon mal, wenigstens in der Fantasie, mit einem wohligen Schauer aus den Pantinen kippend hingeben. Welche Frau hingegen stellt sich ähnlich sinnlich-verträumt vor, von einem Werwolf den Kopf abgerissen zu bekommen? Oder von Fliegen umschwirrten Toten an die Wand geschmiert zu werden? Eben. Und auch bei „Corbin Nash", dem der Planung nach zukünftigen „Blade", hat diese ganze Vampir-Chose einen erotischen Beigeschmack. Wenn auch einen etwas Abgeschmackten.
Der die Hälfte des Films oben ohne umherlaufende Corbin (Dean S. Jagger) ist noch in der einen Szene boxender New Yorker Arbeitsloser und in der anderen Polizist in Los Angeles (?!). Er ist dort nämlich auf der Suche nach dem Schicksal seiner Eltern, die von „irgendwelchen Dämonen" getötet wurden. Es dauert nicht lange und der furchtlose Cop kommt des Nachts den global aufgestellten Repräsentanten des fleischgewordenen Bösen auf die Spur. Und diese Typen sind aber mal so richtig garstig.
Die Nacht, in die der umnachtete Nash eintaucht, wimmelt nur so von Freaks und teilnahmslosen Psychopathen. Da werden Kinder verspeist, Frauen vergewaltigt, gefoltert und entsorgt. Showkämpfe werden veranstaltet, in denen ganze Familien über den Jordan zu Buddha gehen. Auf so eine Welt ist der einst noch ungläubige Nash von einem Fremden ([der vor ein paar Tagen verstorbene] Rutger Hauer) in einer schummrigen New Yorker Bar aufmerksam gemacht worden. Dieses Milieu solle er suchen, um die Mörder seiner Eltern zu finden. Und er gelangt an sein Ziel. Nash steigt in eine recht unheimlich arrangierte Unterwelt hinab, in der ein nicht näher definierter Oberbösewicht sein Unwesen treibt, der jedoch in diesem Film nur Beiwerk bleibt. Denn als Kopf der ominösen Schattengesellschaft soll er - der Inszenierung nach - wohl für ein großes Finale in einem weiteren Teil aufgespart werden. Dafür legt sich der muskelstrotzende Boxer hier mit zwei Handlangern an, und zwar jenen, die er, seine Eltern im Sinn, ursprünglich suchte. Natürlich hat er als Mensch gegen die ähnlich den Vampiren von „30 Days of Night" (2008) mit Überschallgeschwindigkeit hin und her hüpfenden Blutsauger keine Chance. Also muss er erst zu einem (guten) Untoten werden, um den (bösen) Untoten einen einzuschenken.
Dieser so gedachte Auftakt zu einer Blade-Replik-Reihe kommt nicht bei jedem gut an und bietet durchaus Ansatz für Kritik. Natürlich ist das viele Drumherum an Dämonen-Geschwurbel und schicksalhaftem Vermächtnis ein bisschen viel für viele. Denn es hängt tatsächlich narrativ alles etwas in der Luft. Dazu kommt, dass der in Genrekreisen populäre Malcolm McDowell hier in seiner Rolle als blinder Prophet, der immer wieder den obdachlosen Erklärbär gibt, etwas aufgesetzt und sperrig wirkt. Und dann noch dieser fiese Transvestit (Corey Feldman [der Junge aus „Gremlins"])! Wie stilwidrig. Wie unästhetisch. Wie taktlos. Dabei ist diese Drag Queen, die der kaum wiederzuerkennende Corey Feldman unterhaltsam spielt, in ihrem nihilistischen Habitus tatsächlich mal etwas anderes. Mal was Gewagtes. Schön auch, dass die visuell ansprechende Inszenierung mit Dialogen (und einer Synchronisation!) gepaart wird, die sich über dem Durchschnitt ähnlich budgetierter Produktionen halten.
Ob Dean S. Jagger viel erotisches Potential (oder auch nur Charisma) zeigt, darf natürlich bezweifelt werden. Dass „Corbin Nash" ein Hit im Sinne von „Blade" ist, ebenfalls. Aber ein ambitionierter Genrebeitrag, der ausschließlich solchen kredenzt werden sollte, die sich im Sparfilm-Bereich wohl fühlen, ist dieser Horrorflick schon. Zumal er in Sachen Blut, nackte Haut und Figurenwahl nicht verklemmt ist. Das hat man zu oft schon ganz anders gesehen.