Review

Kontemporärer Trash – THE ASYLUM (24)

GEO-DISASTER

(GEO-DISASTER)

Thunder Levin, USA 2017

Vorsicht – dieses Review enthält SPOILER!


Dies ist wieder einmal eine Arbeit aus David Michael Latts Schundschmiede „The Asylum“: Geo-Disaster, der freimütige Mockbuster zu Dean Devlins 120-Millionen-Produktion Geostorm und somit ein reinrassiger Katastrophenfilm – nichts also, womit man im Hause Asylum keine Erfahrung hätte.

Im Arecibo Radio Telescope Observatory wird eine sonderbare Entdeckung gemacht: Ein Stück Dunkle Materie (in der grausigen deutschen Synchronisation ausschließlich artikelfrei „Dark Matter“ genannt, als sei’s ein Spitzname), ein Stück Dunkle Materie also nähert sich der Erde – zielstrebig und so schnell, dass der Zusammenprall unvermeidlich ist. Tatsächlich schlägt „Dark Matter“ auch bald ein, und zwar irgendwo im Norden Alaskas. Aber „Dark Matter“ schlägt nicht nur ein, sondern sogar gleich durch – und tritt auf der anderen Erdseite wieder aus, um im Weltraum weiterzureisen. Nein, von irgendeinem lausigen Planeten lässt sich Dunkle Materie nun wirklich nicht stören. Der just durchbohrte lausige Planet ist freilich bei seiner Begegnung mit „Dark Matter“ so heftig durchgeschüttelt worden, dass es weltweit zu schweren Erdbeben, Lavaaustritten, Stürmen und bald darauf auch zu gigantischen Tsunamis kommt. Das volle Programm also.

Besonders schlimm erwischt es erwartungsgemäß Los Angeles, wo ein Beben der Stärke 9 große Teile der Stadt in Schutt und Asche legt ... und wo die Familie Mason wohnt, die wir von nun an beim Überlebenskampf im postapokalyptischen Kalifornien begleiten dürfen (oder begleiten müssen). Familie Mason – das sind der verwitwete Vater Matt, der fast erwachsene Sohn Rick, die etwa sechzehnjährige Tochter Kaley, ihre etwas jüngere Schwester Cassie und Johanna, die Freundin des Familienvaters und angehende Stiefmutter der Kinder.

Vorerst sind die Masons allerdings getrennt: Kurz vor der Katastrophe ist Matt mit seinem Sohn zum Zelten in die San Bernardino Mountains aufgebrochen – in der Hoffnung, das gerade arg zerrüttete Verhältnis zu ihm wieder etwas aufbessern zu können. Johanna und die Mädchen erleben das Erdbeben indes daheim im halb zerbröckelnden Hochhaus. Sie haben Glück: Alle drei kommen mit eher leichten Verletzungen davon und können sich durch das beschädigte, aber immerhin noch halbwegs begehbare Treppenhaus ins Freie retten.

Matt und Rick erwischt es derweil draußen in der freien Natur: Nachdem Rick seinen Vater bislang pausenlos vollgemault hat und sie endlich in ihrem Zelt liegen, beginnt selbiges durch einen Erdrutsch, ähm ... zu rutschen, und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit einen Hang hinunter. Und so rutscht das Zelt ... und rutscht ... und rutscht ...

Während Matt und Rick also rutschen, irren Johanna, die Mädchen und ein alter Mann, den sie im Treppenhaus kennengelernt haben, durch die trümmerbedeckten Straßen von Los Angeles und versuchen ein Walkie-Talkie aufzutreiben, mit dem sie den männlichen Teil der Familie kontaktieren wollen – das Handynetz ist selbstredend zusammengebrochen. Und ja, mithilfe ihres Begleiters können sie in ein Elektrogerätelager einbrechen und die benötigte Technik auftreiben.

Matt und Rick rutschen unterdessen noch immer mit ihrem Zelt und inzwischen grob geschätzt 200 km/h bergab – und sie rutschen und rutschen, bis sie es schließlich schaffen, aus dem rasenden Zelt herauszuspringen, bevor es mit ihnen wer weiß wohin gerutscht wäre. Nun klettern sie den „steilen“ Abhang wieder hinauf (wobei man sehr deutlich sieht, dass sie eigentlich nur auf dem fast ebenen Boden entlangkriechen und die Kamera gekippt wurde – sehr schön, das), erreichen glücklich den alten Humvee des Vaters und fahren weiter durch die San Bernardino Mountains. Matt darf kurz darauf sogar zum Helden heranwachsen, als sie von einer Menschengruppe angehalten werden, die es auf ihr Fahrzeug abgesehen hat – nachdem er den Anführer der Wegelagerer geschickt entwaffnet hat, kann er die Situation verbal entschärfen und Frieden mit ihnen schließen. Es handelt sich um Prepper, die in einem Bunker leben, und weil Matt ein netter Kerl ist, fährt er sie gleich noch nach Hause. Die Einladung, ihre Unterkunft mit ihnen zu teilen, muss er allerdings vorerst ausschlagen, denn zunächst gilt es, Johanna und die Töchter aufzutreiben.

Die turnen inzwischen auf dem Dach einer Lagerhalle herum und bekommen gerade neue und sehr ernste Sorgen: Ein 30 Meter hoher Tsunami rollt auf die amerikanische Westküste zu! Immerhin gelingt die Kontaktaufnahme mit Matt und Rick, und so können sich die beiden Teams an einem sicheren, sprich ausreichend hoch gelegenen Ort in den Bergen verabreden. Nur: Wie kommen Johanna und die Mädels ausreichend schnell dorthin? Wieder hilft ihr Begleiter, der sie auf zwei Motorräder aufmerksam macht, die gerade herrenlos vor dem Gebäude herumstehen. Bevor sich die drei Masons auf den Weg nach unten machen, müssen sie allerdings ihren neuen Freund verabschieden – ein Motorrad könne er in seinem Alter nicht mehr fahren, meint er, und so wolle er auf dem Dach ausharren und dem sicheren Tod gelassen ins Auge blicken. Ein Küsschen von Johanna entschädigt ihn schließlich vorab für alles Ungemach der Welt.

Zeit zur angemessenen Trauer bleibt indes nicht: Johanna muss auf die Schnelle noch einen ausgewachsenen Biker vermöbeln, der gern eins der Fahrzeuge benutzt hätte, und dann geht’s los. Johanna steuert mit Cassie auf dem Rücksitz das eine Motorrad, und Kaley das andere – für ihr gefühlt noch recht geringes Alter ein erstaunliches Unterfangen. (Ganz am Rande: Auf ihrem Rücksitz ist noch Platz ... der alte Mann hätte also keineswegs selbst fahren müssen.) Doch Kaley macht ihre Sache sehr ordentlich, und so kommen die drei gut durch die verstopften Straßen und haarscharf vor dem heranrollenden CGI-Tsunami zum vereinbarten Treffpunkt. (Ganz am Rande: Obwohl die am Ende leicht ansteigend zum Berg hinaufführende Straße zweifellos weiterhin befahrbar ist, steigen Johanna und die Mädels unten ab und rennen zu Fuß hinauf – Himmel, warum das??) Egal – allen Ungereimtheiten zum Trotz können sich die Masons auf der sicheren Anhöhe in voller Familienstärke in die Arme nehmen. Und der Rest soll nicht verraten werden ...

Na gut ... eigentlich gibt es keinen Rest mehr, zumindest keinen nennenswerten. Den Masons wird es gut gehen, und der durchbohrten Erde wird es noch besser gehen, denn wir erfahren nach einer „One year later“-Einblendung (nun verrate ich es doch), dass das „Einschussloch“ von „Dark Matter“ für eine Druckentladung im Erdinneren gesorgt hat und es daher in den nächsten einhundert Jahren keine Erdbeben mehr geben wird (!) ...

Und so verabschiedet sich Geo-Disaster mit einem seiner Herkunft angemessenen physikalischen Paukenschlag. Gut so, denn mit der Physik hat der Streifen über weite Strecken nichts am Hut: Die Dunkle Materie schlägt durch die Erde – und dann ist sie auch schon wieder weg und hat uns für lange Zeit die lästigen Erdbeben vom Hals geschafft. Hier muss sich niemand um die Abwendung des Unheils kümmern – weshalb sich das Skript umso herzlicher um die Familie Mason kümmern kann und uns den nächsten Familienzusammenführungsthriller mit Katastrophenhintergrund beschert. Es lässt sich kaum noch verifizieren, zum wievielten Mal dem Publikum allein in der vorliegenden Preis- und Leistungsklasse die ausgelutschte Story von einer durch unglückliche Umstände geteilten Familie, die allen Erdbeben, Stürmen, Tsunamis, Lavaströmen, Frosteinbrüchen und Plündererhorden zum Trotz wieder zusammenfindet, aufgetischt wird (was keineswegs heißt, dass man nicht auch in der A-Liga fleißig mit solchem Pfeffer behelligt wird). Wie immer ist dies natürlich ein beträchtliches Ärgernis, und wenn vornehmlich in der Anfangsphase die Konflikte innerhalb der Mason-Familie (nein, nicht Manson-Familie ...) im Zentrum stehen (die Kids wollen einfach ihre designierte Schwiegermutter nicht akzeptieren), wird Geo-Disaster tatsächlich lästig und unangenehm.

Dankenswerterweise, und damit beginnen die guten Nachrichten, lässt sich nach diesem missglückten Start jedoch noch hinlänglich gut mit den Masons leben. Sicher, die wenigsten werden einem Wiedersehen mit ihnen entgegenfiebern, aber es gibt unstreitig weitaus schlimmere Katastrophentrashprotagonisten. Zu würdigen ist ferner, dass sich die Produzenten nicht ständig davor gedrückt haben, ihr Katastrophenszenario mit konkreten Bildern zu illustrieren, so minderwertig und beschämend deren CGI-Umsetzung auch sein mag. Zwar geht es hier im Kern nur um die Katastrophentrashfamilie der Woche, aber die bekommt es doch immer wieder mit aufregend mies getricksten Folgen des „Dark-Matter“-Durchschlags zu tun. Das sollte zumindest für Ramsch-Liebhaber durchaus einen gewissen Wert haben und gehört im Hause Asylum längst nicht mehr zum guten Ton – in jüngeren Produktionen wie Ice Storm oder America is Sinking wird die Arbeit der VFX-Künstler nur noch äußerst selten in Anspruch genommen. Und auch über ein paar dramatisch vergeigte Rechnertricks hinaus hat Geo-Disaster noch eine ganze Menge unfreiwilligen Humor im Angebot. Gelegentlich scheint der Film diesen unfreiwilligen Humor sogar freiwillig zu produzieren – wie beispielsweise in der schon angesprochenen Sequenz, in der das Zelt mit Matt und Rick gefühlte zehn Minuten lang (grausig getrickst, übrigens ...) einen Abhang hinunterrauscht. Das kann eigentlich nicht ernst gemeint sein. Als Running Gag gehen auch zahlreiche sinnfreie Luftaufnahmen des Arecibo-Observatoriums durch, zu denen sich der Score vor Aufregung fast überschlägt. Apropos Arecibo-Observatorium: Dessen kärglicher, anscheinend von einer etwas größeren Garage gedoubelter „Innenbereich“, in dem drei oder vier Leute im Halbdunkel vor ihren Rechnern hocken, verrät viel über die Produktionskosten dieses Films.

Generell präsentiert sich Geo-Disaster mit sauberen Bildern im üblichen TV-Format, wobei es allerdings regelmäßig zu kurzen Qualitätsschwankungen kommt, da für manche „Katastrophenszenen“ Stock Footage und Material mit überdeutlich erkennbarer digitaler Herkunft verwendet wurde. Von den Trickeffekten war bereits die Rede – daher sei nur noch einmal unterstrichen, dass sie unter aller Kanone sind: Was hier an Rechnereffekten (Flutwellen, Lava, „einstürzende“ Häuser, Erdspalten) auf die Zuschauer losgelassen wird, ist selbst im Kontext ihrer Herkunft mehrheitlich beschämend und damit eigentlich unverantwortlich. Mitunter war selbst ich als guter Kenner des Asylum-Schaffens über diese Stümperei regelrecht erschrocken.

Auch die Darsteller können den Wert des Streifens nur unwesentlich erhöhen. So bleibt schon Matthew Pohlkamp als Familienvater Matt weitgehend farblos, während Natalie Pelletiers Vorstellung als Johanna sogar unter der Rubrik Laienspiel geführt werden kann, obwohl sie sich zweifelsfrei große Mühe gibt – Letzteres soll an dieser Stelle ohne Häme anerkannt werden. Eine vergleichsweise gute Wahl waren derweil die Darstellerinnen der Töchter, sprich Maggie Rose Hudson als Kaley und noch mehr die putzige Isabella Bazler als Cassie. Recht ordentlich hält sich zudem auch M. Steven Felty, der als zeitweiliger Begleiter der weiblichen Familienmitglieder und tragische Figur vom Dienst zu sehen ist und für seinen hiesigen Arbeitgeber bereits in Hansel & Gretel sowie Attila – Master of an Empire tätig war. Mit Blick auf diesen Arbeitgeber ist auch Tammy Klein noch interessant, die im Hause Asylum schon so ziemlich alle Aufgaben von der Regie (Planet Dune) bis zum Abwasch übernommen hat und hier als Leiterin der Arecibo-Anlage echt unterirdisch spielt. (Hauptamtlich gehört sie zur VFX-Abteilung, war aber auch schon für Schnitt und Ton verantwortlich und als Produzentin, Autorin und Cutterin tätig. In David Michael Latts Laden sind freilich fast alle festen Mitarbeiter Universalgenies ...) Der Score stammt schließlich erwartungsgemäß von Chris Ridenhour und Chris Cano und zeichnet sich zumindest in der vorliegenden Fassung vor allem dadurch aus, dass er extrem matschig klingt. Soweit es sich in diesem Brei erkennen lässt, gibt es freilich ohnehin kaum mehr als hektisches Dauergedudel zu hören. Der Verlust hält sich demnach in Grenzen – falls es überhaupt ein Verlust ist.

Wo Asylum draufsteht, ist also auch Asylum drin – im gegebenen Fall unverhohlen billig produzierter TV-Trash, der zum dreitausenddrölfzigsten Mal schildert, wie sich eine Familie in der dicksten (und vollkommen absurden!) Katastrophe bewährt, dies aber immerhin ausreichend turbulent und regelmäßig erheiternd bewerkstelligt und sein Publikum nicht ungebührlich mit Sinn und Verstand belästigt. Normalen Menschen kann man diesen Streifen nicht zumuten, aber Filmfreunde, die der führenden kalifornischen Schundschmiede aufgeschlossen gegenüberstehen, finden darin ziemlich genau das, was sie erwarten oder sogar suchen. Ein Highlight ist Geo-Disaster zwar selbst innerhalb seiner Preisklasse nicht, aber solide Unterhaltung liefert der Film in ihrem Rahmen allemal. Zur Sicherheit sei’s wiederholt: Im Rahmen seiner Preisklasse.

(06/23)

Objektiv mit etwas Wohlwollen 4 von 10 Punkten.






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