Alle Mörder haben schon ihr Ticket
Brauchen Agatha Christie-Krimis wirklich Remakes? Gehören diese nicht fest in ihre Zeit? Ist das noch spannend oder kann das weg? Wer sticht aus dem brillianten Ensemble haraus? Und natürlich vor allem: wer ist der Mörder, in diesem festgeschneiten Zug?
Kenneth Branaghs Neuverfilmung des Krimiklassikers bietet famose Schauwerte. Von seinem prächtigen Schnurrbart als genialer ermittler Hercule Poirot über ein diamantenes Darstellerensemble bis hin zum klassischen Look der Settings - kein Wunder, dass es diesen mörderischen Trip auch in 70mm-Sondervorführungen gibt, er atmet den Glanz und die Faszination vergangener Kinoepochen. Die Magie goldener Tage wird mit aktueller Tricktechnik meisterhaft verbunden. Zudem hält das Rätsel um den Mörder bei Laune, insbesondere wenn man (wie ich) nicht mit dem Original vertraut ist. Die Auflösung des Falls ist dann emotionaler und metaphorischer als gedacht und funktionierte für mich exzellent. Klassisch und stilvoll konstruiert, könnte man es nennen.
Branagh spielt und regiert sich zwar etwas in den Vordergrund, doch er ist in vielerlei Hinsicht das Herz des Films. Trotzdem ist es schade, dass sich kaum einer der restlichen, hochkarätigen Darsteller gegen ihn durchsetzen kann. Mal durch wenig Screentime, mal durch schlechte Parts und mal durch zu wenig Talent im Gegensatz zur übermächtigen Konkurrenz. An Motiviation oder Engagement fehlt es keinem, von Daisy Ridley bis Judy Dench. Ein Gemeinschaftsfilm, der zwar sicher kaum an das Original heranreicht, doch durchaus allein stehen kann. Ob das bei der aktuellen Generation akommt, ist eine andere Frage. das Remake funktioniert als leuchtende Meditation auf die Frage nach der Schuld, nnach Gerechtigkeit, der Wahrheit und der Rache. Da würde man zu einer Fortsetzung auf dem Nil sicher nicht nein sagen...
Fazit: schickes Update auf das legendäre Agathe Christie-Murder-Mystery, dessen beeindruckender Cast und ein hervorragender Hercule Poirot zum fröhlichen Rätselraten einladen. Macht Spaß und sieht fein aus. Aber um in Erinnerung zu bleiben sind fast alle Figuren zu blass - bis auf unseren faszinierenden Ermittler, der einen immer wieder schmunzeln und staunen lässt.