Review

Staffel 1

Um es Vorweg zu nehmen: Die Serie Punisher hat wahrscheinlich endlich einen wirklich guten Darsteller für die Rolle gefunden, der die Rolle so ausfüllt, dass einem ob der Intensität und Glaubwürdigkeit seines Spiels Hören und Sehen vergeht. Würde es sich hier um eine Autorenserie wie zB Breaking Bad oder Sopranos handeln, wären da sicherlich die eine oder andere Emmy-Nominierung  im Rahmen. Aber da es sich nunmal "nur" um eine Action-Selbstjustiz-Serie handelt, brauchen wir hier nicht auf eine weitere Würdigung von Bernthal zu hoffen außer in einschlägigen Fan-Foren. Auch ist klar festzuhalten, dass die Serie Punisher endlich den Bodycount in die Gefilde führt wie die Comicvorlage, und dabei den Ernst der Lage beibehält - also nicht zur Karikatur verkommt wie noch War Zone. Also wer die Comics mochte, wird die Serie lieben. Und wäre dies ein Review, wo es um Akkuratesse der Charaktere usw. ginge, dann würde die Punktevergabe dieses Reviews sicherlich deutlich höher ausfallen. Aber da es sich nunmal um ein Review einer möglichst mainstreamtauglichen Serie mit R-Rating handelt, komme ich nicht umhin, die Serie und Machart kritischer zu hinterfragen, und die grundlegende Problematik eines Charakters wie Frank Castle zu erörtern.

The Punisher (erste Staffel) zeigt bis zur vorletzten Folge ziemlich exzellent, wie ambivalent der Charakter ist und wieviele unterschiedliche Herangehensweisen es an den Charakter geben kann, die allesamt funktionieren können:

Zum einen ist er der liebende und trauernde Familienvater, der einfach diejenigen bestrafen muss, die solche Taten begehen, die zum Tode seiner Familie geführt haben. Dass er dafür mehr als nur qualifiziert ist auf Grund seines millitärischen Backgrounds, macht es einerseits nachvollziehbar für den Zuschauer, wie es ihm gelingt, durch diese Horden von Bösewichtern zu gehen wie über eine leere Wiese und andererseits hat man immer genau gerade so viel Sympathien für ihn und seine Beweggründe, dass es einem recht einfach gemacht wird, für ihn zu sympathisieren.

Dann haben wir den Kriegshelden, der für seine Kumpanen bereit ist, durch die Hölle zu gehen, koste es was es wolle, und wenn es ihn seine Seele kostet. Auch hier ist es noch nachvollziehbar und relativ einfach, mit ihm zu sympathisieren.

Doch dann fängt die Fassade an zu bröckeln. Wir haben die Nebenhandlung eines traumatisierten Kriegsheimkehrers, der irgendwann zu ähnlich rabiaten Methoden zu greifen beginnt, nur aus anderen Motiven und mit anderen Zielen. Hier wird recht deutlich signalisiert, dass die Grenzen der Selbstjustiz recht schwammig sind, und die Frage warum man für Frank ist, aber gegen diesen anderen Mann, ist mehr als nur berechtigt. Und das gibt dieser Serie dieses gewisse Etwas, das einen auch mit Unbehagen zurück zu lassen in der Lage ist, gewollt und zu Recht.

Und dann kommen wir langsam dem Monstrum in Menschengestalt näher, einer der sehr wohl in der Lage ist, von jetzt auf Sofort zum knallharten Menschenfeind zu werden, der auch vor Kindern und Frauen nicht zurück schreckt (beispielsweise einem Kind ein Messer an die Kehle hält), der ohne mit der Wimper zu zucken bereit ist zu foltern, wenn der Zweck die Mittel heiligt, auch wenn er weiss, dass der Gegenüber evtl. gar kein Bösewicht per Se ist. Ab hier wird es schwierig für den Zuschauer, objektiv gesehen Sympathien für so einen Protagonisten zu entwickeln.

Und hier besinnt sich die Serie solcher Tugenden anderer ursprünglich wunderbarer Serien, deren Protagonisten irgendwann immer schwerer vermittelbar wurden, da sie zu extrem wurden. Es werden ihnen besondere Werte angedichtet, die beim Mainstreampublikum besonders gut ankommen, oder es werden ihnen Bezugspersonen zugewiesen, die es so niemals geben dürfte. Frank Castle entpuppt sich natürlich als Bruce Springsteen Fan - und welcher aufrechte Amerikaner kann Mr Castle da schon unsympathisch finden? - aus heiterem Himmel und ohne jemals wieder Erwähnung zu finden. Und dass ausgerechnet die Person, die er eine ganze Folge lang foltert, sein angeblich bester Freund wird, ist genauso unverständlich, wie das einige Entführungsopfer dem Stockholm Syndrom anheim fallen. An anderer Stelle hatte ich das Stockholm Syndrom im Falle der Serie The Punisher auch soweit erwähnt, als dass es fast so wirkt, dass der Zuschauer auch demselben Syndrom zum Opfer fällt, je länger die Serie geht.

Denn machen wir uns nichts vor, Frank Castle ist und war schon seit sehr langer Zeit ein Monster, und es stellt sich auch heraus, dass er sich selbst die ganze Zeit etwas vorgemacht hat, und auch schon länger unterbewußt dies wußte. Erst im Angesicht seines Todes wird ihm das evtl. schmerzhaft bewußt. So jemanden kann man instrumentalisieren, um ein Ziel zu erreichen oder um eine interessante Geschichte zu erzählen. Als Identifikationsfigur oder gar Sympathieträger eignet sich so jemand allerdings kaum. Und bis zur vorletzten Folge geht diese Serie einen sehr ambivalenten Weg, der möglichst viele Facetten aufzeigt und sogar das Monster als eben solches offenbart.

Doch die Serie ist auch dem Mainstream verpflichtet, also muss Frank Castle sympathisch sein. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass plötzlich ein paar sehr interessante wehrhafte Frauen total auf ihn abfahren und ihn gegen alle Widerstände unterstützen. In einem besonders prekären Fall ist das allerdings genauso over the top wie damals in der vierten oder fünften Staffel von 24, als Jack Bauer, den Noch-Ehe-Mann seiner Geliebten verdächtigt und foltert, dieser sich als unschuldig erweist, und dann trotzdem für den eigenen  Folterer eine Kugel einfängt. Jack Bauer könnte diesen Mann retten, doch er entscheidet sich, vor den Augen seiner Geliebten, diesen Mann sterben zu lassen und die Frau vergibt ihm natürlich keine drei Echtzeitsunden später, da Jack Bauer einfach keine andere Wahl hatte und wegen dieser Entscheidung mehr leidet als der Verstorbene. Bei Frank Castle ist die Situation sehr ähnlich - und das ist einfach nur unglaubwürdig ab einem gewissen Punkt und absurd.

Alles was so schön ambivalent aufgebaut wurde bis zur vorletzten Folge, wird dann schlagartig mit einem extrem comichaften Finale ad absurdum geführt, Frank Castle und sein Gegenüber verhalten sich komplett irrational, es wird einfach nur blind auf die zweite Staffel hingearbeitet mit den nötigen aus den Comics bekannten Konsequenzen, die einen mit einem sehr, sehr faden Beigeschmack zurück lassen. Dem Ganzen setzt dann auch die Konsequenz, die die Serie Frank Castle zugesteht, die Krone auf.

Ohne jetzt mit dem erhobenen Zeigefinger durch dieses Review wüten zu wollen, und dabei vollends zu versagen, ein Charakter wie The Punisher verdient ein ganz anderes Ende als er es hier bekommt, denn dafür hat er ab einem bestimmten Punkt zu viel seiner Menschlichkeit verloren. Alttestamentarische Herangehensweisen bringen in der heutigen TV-Serien-Zeit, in der die Grauzonen weitaus dominanter sind als sonstwas, einfach kein Bonanza-Happy-End hervor und wenn das doch der Fall ist, dann bitteschön mit einem trockensarkastischen Anstrich aber nicht so elegisch-religiös-ernsthaft wie hier, wo es sich dann einfach falsch anfühlt.

Wenn man sich die Serie also qualitativ anschaut, die Punkte inhaltliche Ambivalenz, Produktionsdesign, Spannung, durchgehende Handlung, Schauspiel, Inszenierung etc anschaut, dann ist sicherlich 7-8 sogar rechtfertigbar, vor allem weil die Serie wirklich mindestens gut gemacht ist.

Aber wenn man davon ausgeht, dass es sich um einen bekannten Comic-Charakter handelt, der auch endlich wirklich gut umgesetzt ist, und man als Serienmacher zumindest im Verlauf der Staffel offenkundig immer mal wieder tatsächlich die Eier hatte, so viele verschiedene Facetten anzusprechen, dann sollte man auch die selben Murmeln in der Hose haben, ein weniger positives Ende oder gar ein verstörendes Ende als Cliffhanger für Staffel 2 hinzurotzen. Man kann meines Erachtens nämlich trotz R-Rating davon ausgehen, dass hier auch Leute unter 18 Jahren an die Serie rankommen werden. Und man möchte als Produzent auch, dass möglichst ein großes Publikum angesprochen wird. Und genau dann hat man trotz allem, was man über Figuren mit Grauzeichnung sagt, auch immer eine gewisse Verpflichtung. Nicht umsonst sind solche Serien wie The Wire oder Breaking Bad letztendlich in ihrer finalen Konsequenz so final. Selbst eine solche Propaganda-Serie wie 24 entläßt seinen Protagonisten nicht gen Sonnenuntergang reitend, und wenn doch dann eher wie "Meinen großen Freund Shane". Die einzige Serie, die sich traute, dem Publikum den Mittelfinger zu zeigen, und das auf dieser Ebene auch sich erlauben durfte, war Sopranos, und selbst da ist die Moralkeule irgendwie mitschwingend. The Punisher hingegen gelingt es gegen Ende einfach nicht, den richtigen Ton zu treffen. Das trübt den Gesamteindruck, der durchaus positiv ist, doch sehr nachhaltig - zumindest für mich - und ich werde sicherlich keine weitere Staffel schauen. Daher nur 4 Punkte

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